Intelligenz:Wer arm ist, dem nützen gute Gene wenig

Sozioökonomische Nachteile wirken sich schon auf die Intelligenz von Zweijährigen aus. Das zeigt eine Zwillingsstudie aus den USA.

Christina Berndt

Mit zehn Monaten absolvierten die Kinder ihren ersten Intelligenztest. Da waren sie alle noch ungefähr genauso schlau wie ihre Geschwister.

Intelligenz: Kinder aus wohlhabenden Familien sind weder schlauer als arme Kinder, noch sind sie ihnen genetisch überlegen. US-Wissenschaftler gehen davon aus, dass "sozioökonomische Nachteile das genetische Potential von Kindern unterdrücken".

Kinder aus wohlhabenden Familien sind weder schlauer als arme Kinder, noch sind sie ihnen genetisch überlegen. US-Wissenschaftler gehen davon aus, dass "sozioökonomische Nachteile das genetische Potential von Kindern unterdrücken".

(Foto: AP)

Als die 750 Zwillingspärchen aber zwei Jahre alt geworden waren, zeigten sich schon Unterschiede in der Denkleistung. Manche Kinder konnten sehr viel besser drei Klötze in einen Becher sortieren als ihr Brüderchen oder Schwesterchen, andere dagegen begriffen nur schwerlich, wie sie durch Ziehen an einem Faden ein Glöckchen zum Klingeln bringen konnten, berichten texanische Psychologen im Fachblatt Psychological Science.

Herausragend pfiffig oder eher langsam im Vergleich zu ihrem Geschwisterkind waren dabei fast immer Vertreter der zweieiigen Zwillingspärchen; die eineiigen Zwillinge waren einander einfach zu ähnlich. Schließlich sind eineiige Zwillinge genetisch praktisch identisch, und die Pärchen der texanischen Studie lebten alle gemeinsam bei ihren Eltern und hatten somit die gleichen Startchancen.

Bedeutsam aber ist: Die Unterschiede zwischen den zweieiigen Geschwistern zeigten sich vor allem dann, wenn sie in bessergestellten Familien aufwuchsen. War ein Zwillingspaar dagegen in eine sozial schwache Familie geboren, entwickelte sich die Intelligenz beider Geschwister auf sehr ähnlichem Niveau.

"Sozioökonomische Nachteile unterdrücken das genetische Potential von Kindern", lautet die Schlussfolgerung der Psychologen um Elliot Tucker-Drob. Kinder aus wohlhabenden Familien seien weder schlauer noch genetisch überlegen, betonen sie. Weil sich ihre Eltern oft mehr kümmerten, hätten sie mehr Möglichkeiten, ihr genetisch angelegtes Leistungsvermögen auch auszuschöpfen.

"Wir kommen mit einem bestimmten Intelligenzpotential auf die Welt", sagt Andreas Busjahn vom Berliner Zwillingsregister Healthtwist. Der Erblichkeitsgrad der Intelligenz liege bei etwa 50 Prozent: "Ob wir die angeborenen Möglichkeiten ausnutzen, hängt von der Förderung ab."

Das müsse Eltern aber nicht in Förderwahn versetzen, betont Busjahn. "Solange sie für ihre Kinder da sind, sind Details relativ unwichtig." Es sei unerheblich für die spätere Intelligenz, ob sie dem Nachwuchs griechische Sagen vorlesen oder Bilderbücher betrachten. Hauptsache, die Kinder bekämen überhaupt Anregungen. "Das ist eigentlich ganz beruhigend."

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