Grüne Gentechnik in Deutschland:Aufruhr im Genfeld

Die Industrie wittert in der Gentechnik ein Milliardengeschäft, Umweltschützer fürchten unabsehbare Gefahren für Mensch und Natur. Heute werden vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Weichen für die Zukunft der Technik gestellt.

Daniela Kuhr

Berlin - An diesem Mittwoch verhandelt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über eine Technologie, die umstritten ist wie kaum eine andere: die grüne Gentechnik -oder die Pflanzen-Gentechnik.

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Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace nehmen auf einem Maisfeld bei Borken Pflanzenproben. Während die Industrie in der Gentechnik ein Milliardengeschäft wittert, fürchten Umweltschützer unabsehbare Gefahren für Mensch und Natur. Auch die Mehrheit der Verbraucher lehnt die grüne Gentechnik ab. An diesem Mittwoch urteilt das Bundesverfassungsgericht über das Gentechnik-Gesetz.

(Foto: ag.dpa)

Während die Industrie darin ein Milliardengeschäft wittert, fürchten Umweltschützer unabsehbare Gefahren für Mensch und Natur. Auch die Mehrheit der Verbraucher lehnt die grüne Gentechnik ab. Das Verfahren in Karlsruhe wird daher von verschiedenster Seite kritisch beäugt. Der Richterspruch könnte wegweisend sein für den künftigen Umgang mit dieser Technologie in Deutschland.

Eingereicht wurde die Klage 2005 vom Land Sachsen-Anhalt. Der damalige FDP-Wirtschaftsminister hielt die Vorschriften im Gentechnik-Gesetz für verfassungswidrig. Nicht etwa, weil sie zu lasch sind und Gefahren bergen, sondern im Gegenteil: Weil sie seiner Ansicht nach so streng sind, dass Forschung und Anwendung geradezu unmöglich gemacht werden.

Der heutige CDU-Wirtschaftsminister Reiner Haseloff setzt das Verfahren fort. Vor allem zwei Punkte stören ihn: die Haftungsregeln und die Vorschriften über das Standortregister. So kann beispielsweise jeder Landwirt von einem Gentechnik-Anwender Schadenersatz verlangen, wenn seine Ernte durch gentechnisch veränderte Organismen zu mehr als 0,9 Prozent verunreinigt wurde. Das ist nach Auffassung von Sachsen-Anhalt unverhältnismäßig und verletzt die Berufsfreiheit.

Zudem müssen sämtliche Felder, auf denen Gen-Pflanzen angebaut werden, parzellengenau in einem Standortregister eingetragen werden. Anwohner können sich so informieren, ob in ihrer Nähe Gen-Felder stehen. Auch für Imker ist das wichtig, da sie ihre Bienenstöcke dann womöglich woanders aufstellen. Doch es gibt noch eine weitere Gruppe, die sich für die genaue Lage der Felder interessiert: die Feldzerstörer - Aktivisten, die die Gen-Pflanzen aus Protest aus der Erde reißen. Nach Auffassung von Sachsen-Anhalt verstößt das Standortregister gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, gegen die Berufsfreiheit und gegen den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz.

In Sachsen-Anhalt sitzen mehrere namhafte Forschungsinstitute, wie beispielsweise das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung. "Forschung allein reicht aber nicht", sagt die Ministeriumssprecherin. "Sie muss auch wirtschaftlich verwertbar sein." Und da hapert es. Große Unternehmen wie beispielsweise BASF halten die derzeitigen Regeln eher für abschreckend.

"Für den Durchbruch der grünen Gentechnik sind sie jedenfalls nicht gerade förderlich", sagt Susanne Benner von BASF. Laut der Ministeriumssprecherin geht es bei dem Verfahren daher vor allem um eines: "Wir brauchen Rechtsklarheit und -sicherheit für die Unternehmen." Nur so könnten sie für die Zukunft planen und investieren.

Die agrarpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Christel Happach-Kasan, betont, es gehe "nicht um blinde Fortschrittsgläubigkeit, sondern um die Nutzung dieser Zukunftstechnologie für Verbraucher, Landwirte und Umwelt".

"Der Verbraucher will nun mal keine Gentechnik"

Umweltschützer aber sehen das Verfahren mit großer Sorge. Sollte das Bundesverfassungsgericht der Klage stattgeben, gefährde das die gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in Deutschland, befürchtet der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Ulrike Höfken, Agrarexpertin der Grünen, weist darauf hin, dass das Gesetz "die Wahlfreiheit der Verbraucher" schützen sollte. Schließlich gehe es um eine "Hochrisikotechnologie".

Felix Prinz zu Löwenstein vom Bund ökologische Landwirtschaft (Bölw) ist der Ansicht, die Regeln gehörten nicht aufgeweicht, sondern vielmehr verschärft. "Wer mit Gentechnik arbeitet, stellt eine wirtschaftliche Bedrohung für den gesamten Lebensmittelsektor dar", sagt er. "Beim Umfüllen, beim Transport oder im Werk besteht immer die Gefahr, dass sich saubere Ware mit gentechnisch veränderter vermischt."

Zwar werden derzeit in Deutschland Gen-Pflanzen nur zu Forschungszwecken angebaut, ein kommerzieller Anbau findet nicht statt; importiert aber werden Gen-Produkte massenhaft. Vor allem Gen-Soja ist als Futtermittel für Tiere beliebt.

Die Landwirte müssten deshalb ihre Ernte auf eigene Kosten analysieren lassen, um sicherzustellen, dass sie gentechnikfrei ist, sagt zu Löwenstein. "Nur dann können wir sie verkaufen, denn der Verbraucher will nun mal keine Gentechnik." Seiner Ansicht nach müsste das Gesetz daher noch viel strenger gefasst werden: "Wer Gentechnik anwenden will, sollte für alle Kosten aufkommen."

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