Grüne Biotechnologie:Neues Gentechnik-Gesetz sät Zwietracht

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Abgeerntetes Maisfeld, 2012 Abgeerntetes Maisfeld bei Olching. Kahle Maisstengel ragen in den Himmel. (Foto: Johannes Simon)

Die Bundesregierung will ein Verbot von transgenen Pflanzen in Deutschland rechtlich absichern. Doch das beschlossene Gesetz enthält Schlupflöcher.

Von Kathrin Zinkant

Eigentlich schien alles klar zu sein: Deutschland bleibt gentechnikfrei. Das will die Mehrheit der Bevölkerung, und die Politik will es deshalb auch. Trotzdem brandet eine neue Welle der Erregung durchs Land, seit die Bundesregierung Anfang der Woche eine Änderung des Gentechnikgesetzes beschlossen hat. Von Schlupflöchern und Flickenteppichen ist die Rede. Was hat es damit auf sich - und ist die Kritik begründet? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Um welche Pflanzen geht es überhaupt?

Es geht um Pflanzen, denen fremdes Erbgut eingebaut wurde. Solche transgenen Pflanzen haben Eigenschaften, die sich durch klassische Zuchtmethoden wie Kreuzen nicht erzeugen lassen. So können sie besonders robust gegenüber Schädlingen oder Krankheiten sein. Oder resistent gegenüber Unkrautvernichtungsmitteln.

Welche transgenen Pflanzen werden in Europa bereits kommerziell angebaut?

Derzeit nur eine einzige: MON810, eine Maissorte des Saatgutkonzerns Monsanto. Die Pflanze produziert ein bakterielles Gift, das sie vor Insektenfraß durch den Maiszünsler schützt. Der Mais wuchs vorübergehend auch auf wenigen Feldern in Deutschland, 2009 wurde der Anbau verboten. In Spanien gedeiht MON810 heute auf zwei Dritteln der Maisfelder.

Was steckt hinter dem Begriff "Opt out"?

Die von der Europäischen Kommission erarbeitete Opt-out-Regel ist ein Kompromiss, der im März 2015 rechtsgültig wurde. Nötig war die Regelung, weil einige EU-Staaten wie Spanien und Schweden Gentech-Pflanzen anbauen wollen, die Mehrheit der Länder den Anbau jedoch ablehnt. Um die Interessen aller berücksichtigen zu können, hat man sich in Brüssel auf den Opt out geeinigt - also auf die Option, aus der EU-weiten Zulassung einer transgenen Pflanzensorte aktiv auszusteigen.

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Wie funktioniert ein Opt out im Prinzip?

Es gibt zwei Schritte: Der erste, Phase eins genannt, betrifft die Zulassung in Brüssel. Beantragt der Hersteller einer Gentech-Pflanze den Anbau in der EU, kann jedes Land den Hersteller auffordern, das eigene Hoheitsgebiet oder Teile davon auszusparen. Bislang sind alle Saatgutfirmen diesen Aufforderungen nachgekommen. Sollte dies einmal nicht der Fall sein, können die Staaten auf nationaler Ebene Verbote herbeiführen. Das ist die Phase zwei.

Warum muss Deutschland sein Gentechnikgesetz für den Opt out ändern?

Ein nationales Verbot für den Anbau transgener Pflanzen kann nicht pauschal ausgesprochen werden, dies würde mit den Regeln des EU-Binnenmarktes kollidieren und wäre anfechtbar. Deshalb wird Phase zwei gesetzlich nach EU-Vorgaben geregelt. Eine diese Vorgaben ist die Nennung "zwingender Gründe" für ein Verbot.

Wie sieht das im deutschen Fall aus?

Die Bundesregierung kann den Anbau jeder einzelnen neuen transgenen Pflanzensorte in Deutschland durch eine Rechtsverordnung verbieten oder einschränken. Das heißt, dass sie den Anbau komplett oder in Teilen des Landes verbietet. Dafür sollen aber zuerst die Länder die genannten zwingenden Gründe liefern, also erklären, warum auf ihrem Boden keine Gentech-Pflanzen wachsen sollten. Über die Rechtsverordnung entscheidet der Bundesrat.

Warum ist das Gesetz umstritten?

Der Entwurf der Bundesregierung sieht schon in der ersten Phase keine automatische Aufforderung an die Saatguthersteller vor, auf einen Anbau in Deutschland zu verzichten. Vielmehr gibt es zwei Bedingungen: Die Mehrheit der Bundesländer - berechnet nach dem Stimmenverhältnis im Bundesrat - wünscht und begründet eine Aufforderung. Außerdem müssen ihr sechs Bundesministerien zustimmen.

Was bedeutet das für die Bundesländer?

Mit der Notwendigkeit, für jede Aufforderung des Bundes Gründe zu liefern, geht ein großer Teil der Verantwortung auf die Länder über. Außerdem gibt es die theoretische Chance, dass es gar keine Aufforderung gibt, weil die nötige Mehrheit fehlt. Ein Land kann auch nicht mehr sicher davon ausgehen, dass die benachbarte Bundesländer dauerhaft auf grüne Gentechnik verzichten. Es gibt also tatsächlich Schlupflöcher, die einen Flickenteppich aus Bundesländern mit und ohne grüne Gentechnik ermöglichen könnten.

Lässt sich das Gesetz noch verhindern?

Vermutlich nicht. Es handelt sich um ein Einspruchsgesetz. Der Bundesrat kann zwar den Vermittlungsausschuss anrufen und Einspruch einlegen. Der Bundestag kann dieses Votum aber überstimmen.

Was passiert danach?

Vorläufig wohl nichts. Derzeit ist nicht damit zu rechnen, dass ein Anbau von transgenen Pflanzen in Deutschland angestrebt wird, weder vom Bund noch von einzelnen Ländern und vermutlich auch nicht von den Saatgutherstellern. Ob das längerfristig so bleibt, ist jedoch eine andere Frage.

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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