Feinstaub:Gift aus dem Auspuff

DEU Deutschland Stuttgart 02 02 2017 Feinstaubalarm in Stuttgart An der Autobahn A8 wird darauf

Stuttgart gehört einer aktuellen Untersuchung zufolge weltweit zu den am stärksten mit Feinstaub belasteten Städten - genauso wie Köln und Berlin.

(Foto: imago/Arnulf Hettrich)

In Deutschland sterben jedes Jahr 13 000 Menschen an den Folgen von Feinstaub und Ozon aus dem Verkehr, besagt eine neue Studie. Nur in China, Indien und den USA ist die Lage bedenklicher.

Von Hanno Charisius

Weltweit sterben etwa 385 000 Menschen an den Folgen von Feinstaub und Ozon aus dem Verkehr. Nach einer Studie der Umweltorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT), in der Daten aus dem Jahr 2015 ausgewertet wurden, ist die Lage in Deutschland besonders bedenklich. Stuttgart, Köln und Berlin gehören den Autoren zufolge zu den am stärksten belasteten Städten weltweit.

Das liegt unter anderem an den vielen Dieselfahrzeugen auf den Straßen. Der Untersuchung zufolge sind in Deutschland genau wie in Indien, Frankreich und Italien zwei Drittel der frühzeitigen Todesfälle aufgrund von Feinstaub und Ozon auf Diesel-Pkw, -busse und -Lkw zurückzuführen. Weltweit betrachtet verursacht diese Fahrzeuggruppe knapp die Hälfte dieser Toten. Das ICCT wurde 2015 durch Aufdeckung des VW-Abgasskandals bekannt.

In der Untersuchung führte das ICCT mit Forschern der George-Washington-Universität sowie der Universität Colorado neue Daten zum Emissionsverhalten von Fahrzeugen mit epidemiologischen Modellen zusammen, "um die Gesundheitsauswirkungen des Verkehrs auf globaler, nationaler und lokaler Ebene zu quantifizieren", wie es in einer ICCT-Mitteilung heißt. Die Wissenschaftler betrachteten neben den Emissionen von Pkw, Bussen und Lkw auch diejenigen von Schiffen sowie von landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Baumaschinen.

In Deutschland starben laut ICCT im Jahr 2015 etwa 43 000 Menschen frühzeitig an den Folgen von Feinstaub und Ozon, circa 13 000 davon durch Emissionen aus dem Verkehrsbereich. Damit liege Deutschland im weltweiten Vergleich nach China, Indien und den USA an vierter Stelle, wenn man die Zahl der frühzeitigen Todesfälle in Folge von Emissionen aus dem Verkehrsbereich betrachte. Bezogen auf die Einwohnerzahl weist Deutschland den Berechnungen zufolge sogar die höchste Sterberate auf - mit 17 frühzeitigen Todesfällen je 100 000 Einwohnern. "Diese Sterberate ist dreimal so hoch wie im globalen Durchschnitt und knapp 50 Prozent über dem Durchschnitt aller EU-Länder", heißt es in der Mitteilung. Die gesellschaftlichen Kosten, die durch die negativen Auswirkungen des Verkehrs auf die menschliche Gesundheit verursacht werden, summieren sich in Deutschland laut ICCT-Berechnungen auf 110 Milliarden Dollar, das entspricht etwa 97 Milliarden Euro.

Die gesellschaftlichen Kosten summieren sich in Deutschland auf 97 Milliarden Euro

Die direkten Gesundheitsauswirkungen von Stickstoffdioxid (NO₂) wurden nicht betrachtet. Da aus diesem Luftschadstoff jedoch kleine Feinstaubpartikel und Ozon entstehen können, flossen die Effekte indirekt in die Studie ein.

Das Konzept dieser Studie stimme, sagt Joachim Heinrich vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität München, der nicht an der Untersuchung beteiligt war. Für ihre Berechnungen hätten sich die Forscher auf anerkannte Verfahren gestützt. Insbesondere lobt er die zeitlichen und räumlichen Vergleiche in der Untersuchung. Schwieriger sei es mit den absoluten Todeszahlen, die seien schwer zu interpretieren. "Solche Zahlen führen schnell zu Missverständnissen, weil aus dem Blick gerät, wie kompliziert die Modelle dahinter sind." Er hält die Angabe der Lebensjahre oder Monate, die jeder einzelne Mensch aufgrund von Umweltbelastungen statistisch gesehen verliert, für angemessener. Beides seien jedoch übliche Berechnungsweisen. Die neue Studie stütze sich zudem auf aktuellere Emissionsdaten als frühere Untersuchungen. In die Berechnungen sind etwa auch Schadstoffreduktionen durch die mittlerweile in vielen Ländern vorgeschriebenen Partikelfilter mit eingeflossen. Die Vergleiche zwischen einzelnen Städten, die in der Studie angestellt werden, kritisiert Heinrich jedoch. Man könne eine Stadt wie Köln nicht einfach mit einer 18-Millionen-Stadt in China vergleichen, da sei nicht nur die Altersstruktur der Bevölkerung komplett unterschiedlich.

Nach Angaben des ICCT passen die ermittelten Zahlen zu vorherigen Studien, auch wenn die neuen Werte meist geringfügig über den älteren lägen. Die gesundheitlichen Probleme durch den Verkehr würden jedoch vermutlich sogar noch unterschätzt: Die Belastung durch Lärm etwa floss nicht in die Studie ein, ebenso wenig wie Unfälle oder Belastungen durch die Treibstoffproduktion.

Der Vergleich zwischen den Jahren 2010 und 2015 zeigt jedoch, dass trotz deutlich gestiegenen Verkehrsaufkommens die gesundheitliche Belastung der Menschen nicht wesentlich zugenommen hat. Dies zeige, dass technische Maßnahmen die Belastung senken können, doch bis diese Wirkung zeigen, "dauert es", sagt Peter Mock, Direktor des ICCT Europe. Er betont auch, dass dies kein Grund sein dürfe, die Bemühungen jetzt zu bremsen. "Die Feinstaubwerte liegen noch immer deutlich über den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation."

Der zunehmende Verkehr könnte Fortschritte durch sauberere Motoren zunichte machen

Der ICCT-Bericht warnt zudem davor, dass das zunehmende Verkehrsaufkommen die Fortschritte bei der Luftreinhaltung durch bessere Motoren, Katalysatoren und Filter wieder zunichtemachen könnte. Daher sei neben technischen Verbesserungen in den Fahrzeugen auch ein Umdenken in der Verkehrsplanung gerade in den Ballungsräumen notwendig - durch verbesserte Radwegnetze etwa, aber auch durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. "Ohne solche Bemühungen", so heißt es in dem Bericht, "könnte die Gesundheitsbelastung durch verkehrsbedingte Luftverschmutzung in Zukunft zunehmen."

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