Erneuerbare Energie:Biomasse vom Turbobaum

Holzäcker werden in den nächsten Jahren stark zulegen Die Energiebranche will sich mit Pappel- und Weidenplantagen gegen den erwarteten Holzmangel wappnen. Sie braucht das Material als Brennstoff für ihre Biomasse-Heizkraftwerke.

Ralph Diermann

Deutschland gilt zwar als das Land der tiefen Wälder und dunklen Forste, und ist noch immer das waldreichste Land Europas. Dennoch könnte das Holz bald knapp werden: "In den vergangenen zwanzig Jahren ist der Bedarf enorm gewachsen. Von 2020 an fehlen hierzulande 40 Millionen Kubikmeter Holz pro Jahr", sagt Albrecht Bemmann, Professor für Forstwirtschaft an der Technischen Universität Dresden, also fast so viel, wie 2009 geschlagen wurde.

Institut für Forstgenetik und Forstpflanzenzüchtung

In der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft (BFH) im brandenburgischen Waldsieversdorf (Märkisch-Oderland) wird das Wachstum von Pappeln die für Biomasseproduktion untersucht.

(Foto: dpa)

Holz wird nämlich in jüngster Zeit wieder vermehrt als Brennstoff genutzt. Viele Deutsche haben eine Pelletheizung im Keller, und Energieversorger bauen Holzkraftwerke. Deshalb haben RWE, Vattenfall sowie einige Pellethersteller damit begonnen, den Nachschub in eigene Hände zu nehmen: Sie pflanzen Bäume.

Die Firmen werden damit allerdings nicht zu Waldbesitzern. Es entstehen Plantagen mit schnell wachsenden Arten wie Pappeln oder Weiden. Dicht an dicht stehen junge Bäume auf Ackerflächen; mitunter drängen sich 10.000 dieser Bäume auf einem Hektar - einer pro Quadratmeter.

Beide Gehölze brauchen wenig Licht und Nährstoffe. Bereits nach drei bis fünf Jahren erreichen sie eine Höhe von sechs Metern und mehr. Im Winter werden diese sogenannten Kurzumtriebsplantagen dann maschinell geerntet. Die Teile der Ruten, die im Boden bleiben, treiben erneut aus, so dass im Frühjahr neue Bäume sprießen. Erst nach sechs solcher Erntezyklen verlieren die Pflanzenreste im Boden die Kraft zum Ausschlagen.

Direkt nach der Ernte werden die Weiden und Pappeln restlos zu Hackschnitzeln oder Pellets verarbeitet. Der Ertrag der Plantagen liegt bei durchschnittlich zehn Tonnen Biomasse pro Hektar und Jahr. Das reicht aus, um vier Haushalte mit Wärme und Warmwasser zu versorgen. Und weil die Bäume beim Wachsen so viel Kohlendioxid aus der Atmosphäre entnehmen, wie beim Verbrennen frei wird, gilt das Ganze als umweltfreundliche Energienutzung.

Bislang nehmen Holzplantagen in Deutschland 3000 Hektar Fläche ein, schätzt das Bundesumweltministerium. Das ist nicht viel verglichen mit den 1,7 Millionen Hektar, auf denen Energiepflanzen wie Mais oder Raps wachsen.

Doch die Holzäcker werden in den nächsten Jahren stark zulegen. Vor allem, weil die großen Energieversorger Brennstoff für ihre neuen Biomasse-Heizkraftwerke brauchen. Vattenfall zum Beispiel plant, drei Kraftwerke dieser Art in Berlin zu bauen. Zudem will der Konzern Holzhackschnitzel in Kohlekraftwerken zufeuern, um deren Bilanz zu verbessern. Dafür sind ab 2020 insgesamt mehr als eine Millionen Tonnen Holz pro Jahr nötig. "Vattenfall wird für die Anlagen eine regional verankerte Brennstoffversorgung aufbauen. Ein Teil der Biomasse soll aus Brandenburg kommen", sagt Tobias Ehm von der Vattenfall-Tochter Energy Crops.

Ebenso haben Landwirte die Bäume für sich entdeckt. Zum Beispiel Jan Gumpert, Chef eines Agrarbetriebs im sächsischen Meuselwitz. Er hat auf zehn Hektar Pappeln und Weiden gesetzt. Im vergangenen Winter hat er seine Plantage erstmals abgeerntet. Mit dem Holz hat das lokale Heizwerk eine Schule, einen Kindergarten und die Gemeindeverwaltung geheizt.

Wo heute Gumperts Bäume wachsen, hat der Bauer früher Getreide angebaut. Er steckt damit mitten in der Debatte, ob es ethisch gerechtfertigt ist, die Nahrungsmittelproduktion zugunsten von Energieholz einzustellen. "Wir haben in Europa einen Überfluss an Nahrungsmitteln. Deshalb ist es legitim, diese Flächen für die Erneuerbaren Energien zu nutzen", lautet Gumperts Antwort.

Für die Landwirte lohnt es sich, in das Holzgeschäft einzusteigen: "Mit Kurzumtriebsplantagen lassen sich ähnliche Gewinne erzielen wie mit dem Anbau von Weizen, wenn man den durchschnittlichen Getreidepreis der letzten Jahre zugrunde legt", sagt der Dresdner Forscher Bemmann. Dazu kommt, dass die Ansprüche von Weiden oder Pappeln an den Boden nicht allzu hoch sind, so dass sie auch auf schlechteren Feldern wachsen.

Ganz ohne Risiko ist der Anbau von Energieholz aber nicht. Heikel ist vor allem das Anlegen der Plantage, bei dem Pappel- oder Weidenruten, in zwanzig Zentimeter lange Stücke geschnitten, in den Erdboden gesteckt werden. Die Stecklinge lieben es feucht. Wenn es sehr trocken ist, können sie nicht austreiben. Zudem sind die Plantagen durch Pilzbefall gefährdet. Da häufig genetisch identische Stecklinge gesetzt werden, kann ein Pilz gleich die ganze Fläche beschädigen.

Auf Höchstleistung getrimmte Monokulturen - das klingt nach einem Konflikt mit den Naturschützern. Doch Johannes Enssle, Waldexperte beim Naturschutzbund Deutschland Nabu, bleibt gelassen: "Im Vergleich zu Ackerkulturen wie Mais oder Raps sind Kurzumtriebsplantagen in der Regel naturverträglicher." Die Holzäcker werden nicht mit Pestiziden behandelt und zudem seltener umgebrochen. Das freut Bodenlebewesen wie Regenwürmer oder Asseln. Auch Vögel und kleine Säugetiere fühlen sich hier wohl, weil sie ungestört Nester bauen, brüten und Junge zur Welt bringen können. Allerdings warnt Enssle vor einer "Monotonisierung der Landschaft". Wertvolle Flächen wie Magerrasen, Feuchtwiesen, Bachauen und auch extensiv genutzte Weiden müssten tabu bleiben.

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