Archäologie:Die ersten Bergbewohner

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Das Wasama-Tal in Äthiopien (Foto: Götz Ossendorf)
  • Archäologen haben in Äthiopien den frühesten Nachweis einer Siedlung in großer Höhe gefunden.
  • Dabei wirkt die Region auf 3500 Metern Höhe in den Bale Mountains zunächst sehr unwirtlich.
  • Laut den Forschern flohen die Menschen vor 45 000 Jahren wohl in die Berge, weil es im Tal zu trocken wurde.

Von Hubert Filser

Steil ragen die mächtigen Felswände auf. In einem großen Bogen fließt leicht unterhalb davon der kleine Fluss, der sich aus einem Gletscher speist. Wer heutzutage in der sonst eher kargen Hochebene Äthiopiens in fast 3500 Metern Meereshöhe in den Bale Mountains unterwegs ist, kommt kaum auf den Gedanken, dass sich hier bereits vor 45 000 Jahren Menschen dauerhaft niederließen. Doch nun liefert ein Forscherteam unter Leitung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Fachblatt Science den Nachweis, dass Menschen während der letzten Kaltzeit in diese Höhenregionen flohen.

Dass Hochebenen und auch die Hochgebirge der Welt schon früh in der Menschheitsgeschichte zumindest teilweise besiedelt wurden, hatten schon frühere Studien etwa aus dem tibetischen Hochland gezeigt. Dort hatten Forscher jüngst archäologische Hinweise entdeckt, dass Denisova-Menschen sich zumindest kurzzeitig in Höhen bis 4600 Metern aufhielten und dort Rohstoffe abbauten. Menschen waren also schon früh in der Lage, sich an dünne Luft anzupassen. Die Besiedlung des Felsüberhangs Fincha Habera auf dem äthiopischen Hochplateau stellt nun die weltweit älteste bekannte dauerhafte Besiedlung einer Hochgebirgsregion dar.

Die Gegend auf fast 3500 Metern Höhe war unwirtlich, aber hatte Vorzüge - Maulwurfsratten etwa

Die Menschen nutzten das vergletscherte afrikanische Ökosystem geschickt - eine Überraschung für die Forscher, denn die Region wirkt zunächst eher unwirtlich. Neben dem niedrigen Sauerstoffgehalt der Luft machten den Menschen vermutlich auch die stark schwankenden Temperaturen und der bisweilen heftige Regen zu schaffen. "Aufgrund dieser widrigen Lebensbedingungen nahmen wir bisher an, dass sich Menschen erst sehr spät und nur für kurze Zeit in der afroalpinen Region niederließen", sagt der an der Studie beteiligte Biogeochemiker Bruno Glaser aus Halle.

Tatsächlich war Fincha Habera eine Art Zufluchtsort für die Menschen vor 45 000 Jahren, denn in den tiefer gelegenen Tälern war es bereits zu trocken. Die Forscher entdeckten am Felsüberhang zahlreiche Steinartefakte wie Klingen und Schabwerkzeuge, Knochen von Tieren und sogar eine Schmuckperle. Am wertvollsten waren jedoch die Sedimentablagerungen. Darin fanden sich Spuren von Nahrungsmitteln und organische Reste. Normalerweise ist es schwierig, biologische Spuren auszuwerten, da das Bodenprofil in vielen Regionen meist durch jüngere Besiedlungen gestört wird. Nicht so in der kargen und bis heute eher unberührten Region nahe eines Kaltzeitgletschers.

Der lieferte einst das lebensnotwendige Wasser - und lockte auch Tiere an: Riesige, leicht jagbare Maulwurfsratten waren die Hauptnahrungsquelle der Menschen von Fincha Habera. Gleichzeitig lieferte eine nahe Abbaustätte von vulkanischem Obsidian eine ideale Rohstoffquelle für Werkzeuge und vielleicht sogar Schmuck. "Die Siedlung war also nicht nur vergleichsweise gut zu bewohnen, sondern lag auch praktisch", so Glaser. Die Bodenproben zeigen, dass der vergleichsweise wasserreiche Ort vor rund 10 000 Jahren noch einmal besiedelt wurde. In den entsprechenden Sedimenten fanden die Wissenschaftler Spuren einer Kochstelle und auch erstmals Kot von weidenden Tieren. Möglicherweise hatten die unter den mächtigen Felshängen lebenden Menschen damals bereits Tiere domestiziert.

© SZ vom 12.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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