Alternative Energien:Erdgas aus Wind

Ein deutsch-österreichisches Forscherteam will mit Windanlagen und Solarkraftwerken synthetisches Erdgas gewinnen. Mit dem künstlich erzeugten Methan könnte man die Stromschwankungen von erneuerbaren Energiequellen ausgleichen.

Ralph Diermann

Erdgas entsteht in Jahrmillionen tief in der Erde - oder innerhalb weniger Sekunden neben einem Windrad. Wenn die Pläne eines deutsch-österreichischen Forscherteams aufgehen, könnten Energiekonzerne künftig mit Hilfe von Windanlagen und Solarkraftwerken synthetisches Erdgas gewinnen.

Strom aus Windkraft

Wissenschaftler aus Deutschland und Österreich haben ein Verfahren entwickelt, das Wasser und Kohlendioxid unter Zufuhr von elektrischem Strom in Methan verwandelt. So könnten Energiekonzerne künftig mit Hilfe von Windanlagen und Solarkraftwerken synthetisches Erdgas gewinnen.

(Foto: dpa)

Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel, des Stuttgarter Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg und der Salzburger Firma Solar Fuel Technology haben ein Verfahren entwickelt, das Wasser und Kohlendioxid unter Zufuhr von elektrischem Strom in Methan verwandelt.

Für diese Technik interessieren sich mittlerweile auch der Autobauer Audi und die Firma Greenpeace Energie, ein genossenschaftliches Versorgungsunternehmen aus Hamburg, das zum Umfeld der gleichnamigen Umweltschutzorganisation gehört.

Die Verfechter der Idee halten Windgas für den Weg, eines der größten Hindernisse beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu beseitigen: die starken Schwankungen im Ertrag von Wind- und Solaranlagen. Das synthetisch hergestellte Methangas ließe sich in die existierenden Gasversorgungsnetze einspeisen. Dadurch könnte es die Energieschwankungen von Solaranlagen und Windrädern ausgleichen.

Davon ist zumindest Juwi-Geschäftsführer Matthias Willenbacher überzeugt. Das Unternehmen, das weltweit Wind-, Solar- und Bioenergieparks baut, hat jetzt im Hunsrück eine Pilotanlage mit dieser Technologie errichtet. Die Anlage ist mit einem nahegelegenen Windrad gekoppelt. Bläst eine kräftige Brise, erzeugt Juwi mit dem Ökostrom Erdgas, das in Gasflaschen gefüllt wird.

Diese dienen als Zwischenspeicher. Sobald eine Flaute kommt, wird das Erdgas in einem Blockheizkraftwerk verbrannt, um den Strom zurückzugewinnen. Über diesen Umweg kann das Unternehmen stets genau so viel Energie liefern, wie gerade benötigt wird. Künftig will Juwi den Brennstoff ins öffentliche Netz einspeisen, so dass er überall in Deutschland wieder verstromt werden kann. "Aus meiner Sicht haben wir mit der Technologie das Grundproblem der Speicherung von Wind- und Solarstrom gelöst", sagt Willenbacher unbescheiden.

Wenn, wie von der Bundesregierung geplant, 2020 tatsächlich fast vierzig Prozent des Stroms aus erneuerbarer Energie stammen wird, kommt das Energiesystem ohne Zwischenspeicher nicht mehr aus. An windigen oder sonnigen Tagen werden Windräder und Solaranlagen mehr Strom liefern als gerade gebraucht wird. In Erdgas umgewandelt, ließe sich die überschüssige Energie dann beliebig lange im Gasnetz speichern und an grauen, windstillen Tagen nutzen. Kraftwerksbetreiber könnten das Gas dort entnehmen, wo es benötigt wird. Platz für das synthetische Erdgas ist da: "Die Kapazität des Netzes ist so groß, dass wir darin genug Gas speichern können, um zwanzig Prozent des deutschen Strombedarfs zu decken", erklärt Willenbacher.

Für die Produktion des "Windgases" wird in einem ersten Schritt per Elektrolyse Wasser mit Strom in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Wenn der erzeugte Wasserstoff anschließend mit Kohlendioxid reagiert, entsteht Methan - der wichtigste Bestandteil von Erdgas.

Allerdings geht bei diesem Prozess viel Energie verloren: Der Wirkungsgrad liegt nur bei sechzig Prozent. Außerdem muss das Kohlendioxid in reiner Form bereitgestellt werden, die Anlage kann es nicht aus der Luft saugen. Sollten in Zukunft allerdings auch Kohlekraftwerke in Betrieb gehen, bei denen das CO2 aus dem Abgas gefiltert wird, könnte man dieses Abfallprodukt bei der Produktion von synthetischem Gas einsetzen, statt es - wie ebenfalls erwogen wird - in unterirdische Speicher zu pressen.

Die Energieverluste sind schmerzlich, zumal bei der späteren Zurückwandlung des Gases in Strom weitere auftreten: Am Ende könnte weniger als ein Drittel der Windenergie zeitversetzt ins Netz fließen. Für Michael Sterner von Fraunhofer IWES ist das aber immer noch besser, als ganz auf die Energie zu verzichten: "Windkraftanlagen haben einen Wirkungsgrad von null Prozent, wenn sie aus dem Wind genommen werden müssen, weil der Strom nicht mehr ins Netz passt", sagt er. Mit der neuen Technologie könnten die Betreiber zumindest künstliches Erdgas herstellen, wenn das Stromangebot die Nachfrage übersteigt, so dass sie ihre Windräder nicht vom Netz trennen müssen.

Er sehe schlichtweg keine Alternative zu dieser Technologie, sagt der Forscher: "Was bringt ein Batteriespeicher, der zwar doppelt so effizient, aber vielfach so teuer ist? Oder ein Pumpspeicher, der deutlich günstiger kommt, dessen Kapazität aber schon nach sechs Stunden erschöpft ist und der dann überläuft?"

Mit einer Kapazität von 25 Kilowatt ist die Pilotanlage im Hunsrück sehr klein; sie kann lediglich ein Hunderstel der Energie einer durchschnittlichen Windenergieanlage verwerten. Doch schon bald will das Forscherteam in den Megawattbereich vorstoßen: Die Wissenschaftler haben mit dem Autobauer Audi vereinbart, eine 6,3 Megawatt-Anlage zu bauen, die in zwei Jahren in Betrieb gehen soll. Darin lässt sich der Gas-Ertrag von drei Windrädern speichern. Für den Autobauer ist die Technologie attraktiv, weil sich das Erdgas auch nutzen ließe, um Fahrzeuge mit Gasmotor klimaneutral anzutreiben.

Auch der Energieversorger Greenpeace Energy interessiert sich für das Verfahren. So will das Unternehmen von 2013 an Erdgas mit einem kleinen Anteil des synthetischen Gases anbieten. Wie hoch dieser Anteil sein wird, hängt unter anderem davon ab, wie viele Kunden sich für das neue Produkt entscheiden. Sie zahlen einen Aufschlag von einem halben Cent pro Kilowattstunde, mit dem Greenpeace Energy den Bau von Erzeugungsanlagen finanzieren will. "Unsere Gaskunden fördern damit die zukünftige Speicherbarkeit von erneuerbaren Energien", sagt Firmensprecher Martin Schaefer.

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