Süddeutsche Zeitung

1200. Todestag von Karl dem Großen:Kaiser von Gottes Gnaden

Seine Herrschaft und sein Bündnis mit dem Papst wurden als Erneuerung des Römischen Reichs im Westen betrachtet, er gilt als Vorkämpfer der Christenheit und Vater Europas. Vor 1200 Jahren starb Karl der Große in Aachen.

Von Johan Schloemann

Europa entstand in einem Wellness-Zentrum. In Aachen gab es - und gibt es - wärmende Thermalquellen, schon die Römer hatten sie genutzt, mit Mischbatterien, Fußbodenheizung und allem Drum und Dran. Im achten Jahrhundert nach Christus dann gefiel es dem Frankenkönig Pippin und seinem Sohn Karl, in den Ruinen der römischen Thermen zu baden.

An selber Stelle baute dann jener Karl seine Kaiserpfalz, dessen Herrschaft und Bündnis mit dem Papst als Fortsetzung und Erneuerung des römischen Reiches im Westen angesehen wurde - worauf sich Europa bis heute beruft, nicht nur, wenn der Karlspreis verliehen wird.

Während Karl der Große, der "schwimmende Souverän" (Horst Bredekamp), mit seinen Höflingen im Warmwasser planschte - was er zugegebenermaßen nicht die ganze Zeit tat, sonst hätte er es nicht so weit gebracht -, zwangen seine Truppen die heidnischen Sachsen mit großer Gewalt zum christlichen Bekenntnis: "Entsagst du dem Teufel? Und jeder Teufelsgilde? Und allen Teufelswerken und -worten? Und Wotan und Donar und Saxnot und all den Unholden, die ihre Genossen sind?"

Mit der Rolle des Herrschers als Vorkämpfer der Christenheit verband sich die langlebige Idee des Gottesgnadentums und damit auch eine seit den christlichen römischen Kaisern der Spätantike eingebaute Spannung und Verquickung zwischen kirchlicher und weltlicher Herrschaft, zwischen Papst und Reich.

Aus diesem Strukturproblem des Abendlandes erwuchs aber auch die Kirche als Trägerin von Kultur: Jene Erneuerung von Bildung, Kunst und Architektur, Schriftkultur und antiker Überlieferung, die man "karolingische Renaissance" nennt, fand nicht bloß am Hof Karls des Großen statt, wo der bedeutende Gelehrte Alkuin die Hofschule leitete; nein, Karl förderte ganz gezielt auch die Klöster als Kulturstätten. In Corbie, Fulda, Lorsch, Reichenau und Sankt Gallen wurde damit auch der Keim des Humanismus und der neuzeitlichen Wissensrevolution gelegt.

Trotz (oder wegen?) seiner ausgeprägten Badefreudigkeit bekam Karl der Große, der tatsächlich großgewachsen gewesen sein soll, im Januar des Jahres 814, im Alter von 65 oder 66 Jahren, hohes Fieber und seitliche Schmerzen, die sein Biograf Einhard auf eine Pleuritis, eine Rippenfellentzündung, zurückführt.

Sieben Tage lag der Kaiser im Bett, dann starb er am 28. Januar 814 morgens um neun Uhr, hora tertia, nicht ohne zuvor die heilige Kommunion empfangen zu haben.

Weil das jetzt 1200 Jahre her ist, wird in Aachen ein "Karlsjahr" begangen. Am Wochenende wurde es, ganz im Sinne des Bündnisses von Thron und Altar, mit einer feierlichen Vesper im Aachener Dom eröffnet. Es gibt zahlreiche Vorträge, Führungen und Workshops zur Geschichte, Archäologie und mittelalterlichen Lebenswelt, beginnend an diesem Dienstag, dem eigentlichen Todestag, und es liegen substanzielle neue Biografien von Johannes Fried und von Stefan Weinfurter vor.

Das Hauptereignis in Aachen wird in diesem Jahr aber eine dreiteilige Ausstellung sein - unter den Titeln "Orte der Macht", "Karls Kunst" und "Verlorene Schätze" -, die in Rathaus, Kaiserpfalz und Domschatzkammer vom 20. Juni an gezeigt wird.

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Quelle:
SZ vom 28.01.2014/mcs
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