100 Jahre Relativitätstheorie:Dellen in der Raumzeit

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100 Jahre Relativitätstheorie: Albert Einstein, geboren 1879 im Deutschen Reich, starb am 18. April 1955 im US-amerikanischen Princeton.

Albert Einstein, geboren 1879 im Deutschen Reich, starb am 18. April 1955 im US-amerikanischen Princeton.

(Foto: AP)

Vor genau 100 Jahren präsentierte Albert Einstein seine Relativitätstheorie der Öffentlichkeit. Noch heute helfen die Formeln, den Kosmos zu verstehen. Aber manchmal versagen sie.

Von Reinhard Breuer

Manche Geniestreiche faszinieren für eine Saison, andere ergreifen Menschen vielleicht für einige Jahre. Aber gleich für ein ganzes Jahrhundert? Albert Einstein ist genau das gelungen. Seine im November 1915 erstmals präsentierte "Allgemeine Relativitätstheorie" hielt Physiker jahrzehntelang in Atem, überstand zahlreiche Angriffe - und steht bis heute im Brennpunkt aktueller Forschung.

Die revolutionäre Idee Einsteins war, Gravitation als Krümmung von Raum und Zeit zu begreifen. Man muss sich die Schwerkraft also als eine Art Landschaft vorstellen: Objekte bewegen sich wie Murmeln in einer hügeligen Fläche, deren Täler die Orte der Anziehung markieren. "Die Geometrie sagt der Materie, wie sie sich bewegen soll, und die Materie diktiert der Geometrie, wie sie sich zu krümmen hat", notierte einmal der Physiker John Archibald Wheeler von der Universität Princeton.

Newtons Physik auf den Kopf gestellt

Diese Auffassung der Schwerkraft sorgte für Aufsehen, weil Einstein damit den bis dahin üblichen Kraftbegriff von Isaac Newton auf den Kopf stellte. Newtons legendärer Apfel wird beim freien Fall durch die Schwerkraft der Erde vom Baum zu Boden gezerrt. In Einsteins Deutung bewegt sich der Apfel dagegen kräftefrei vom Ast zu Boden. Die Erde hat den Raum um sie herum so stark verformt, dass der Apfel sich zwangsläufig in ihre Richtung bewegt. Nach der Landung im Gras hindert die starre Erdoberfläche den Apfel am kräftefreien Weiterfallen - und verleiht ihm so sein Gewicht.

Nachdem Einstein die Theorie der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften vorgestellt hatte, verbreitete sich schnell die Meinung, dass höchstens drei Menschen auf der Welt diese neue Theorie verstünden. Als dies dem britischen Theoretiker Sir Arthur Eddington einmal vorgehalten wurde, soll er geantwortet haben: "Kann schon sein - aber wer sind die anderen zwei?" Das war kokett, denn es gab durchaus hochkarätige Forscher, denen sowohl die Mathematik als auch die Tragweite von Einsteins komplizierten "Feldgleichungen" sofort klar waren. Diese zehn Formeln sind auf raffinierte Weise miteinander gekoppelt. Exakte Lösungen kann man für sie nur in Ausnahmefällen ermitteln, selbst heutige Computer finden dann nur eine ungefähre Näherungslösung.

Aber die Theorie machte Vorhersagen, anhand derer sie sich verifizieren ließ. Ihr zufolge sollte die Schwerkraft der Sonne die Bahnbewegung des Merkurs geringfügig verändern. Der innerste Planet im Sonnensystem bewegt sich nicht entlang einer raumfesten Ellipse um die Sonne, sondern seine Bahn verschiebt sich mit jedem Umlauf ein kleines Stück. Im Laufe von Jahrtausenden gleicht die Bahn des Merkurs also nicht einem Ei, sondern einer feingefächerten Rosette.

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