Zwischen den Zahlen:Schnappschuss

Jugendliche leben digital: Dokumente werden per E-Mail übermittelt, bei Snapchat schicken sie Fotos, die nach kurzer Zeit verschwinden. Und was machen Eltern? Die kreuzen Zettel aus der Schule an und schicken sie den Lehrern zurück.

Von Caspar Busse

Ein putziger weißer Geist auf gelbem Grund - das ist das Maskottchen der Foto-App Snapchat. 2001 hatte Evan Spiegel das Unternehmen gegründet. Das Geschäftsmodell: Die Nutzer können Fotos, Schnappschüsse und Nachrichten an Freunde versenden, die jedoch nach kurzer Zeit, etwa zehn Sekunden, wieder vom Bildschirm des Smartphones verschwinden. Ein kurzer Blick, das war's. Während viele Erwachsenen noch über die Sinnhaftigkeit dieser App rätselten, wurde Snapchat bei ihren Kindern richtig in. Heute nutzen Millionen den Dienst, die Firma ist Milliarden wert und steht vor dem Börsengang. Selbst Facebook ist angesichts des Erfolgs nervös.

Die meisten Eltern wissen es schon lange: Jugendliche leben in ihrer eigenen digitalen Welt, zu der Erwachsene so gut wie keinen Zutritt haben. Sie schauen ständig auf ihr Telefon - in der Schule, beim Radfahren, auf der Toilette. Sie chatten, schicken Fotos, Selfies, Sprachnachrichten. Immer online. Und ist der Akku leer, bricht die Welt zusammen. "Leg' doch mal das Ding wenigstens beim Essen weg", rufen Eltern entnervt, ohne Erfolg. Denn auch die Mahlzeit muss noch schnell abgelichtet und dann per Snapchat verschickt werden.

Dann doch lieber schön analog. Anbiedern an den Zeitgeist der Kinder? Lieber nicht, das sagen auch viele Lehrer. Nach einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom erhalten mehr als die Hälfte aller Eltern von schulpflichtigen Kindern Mitteilungen meistens ganz traditionell auf Papier. Ein Drittel gibt sogar an, dass die Lehrer überhaupt nie elektronische Kommunikation nutzten. Klassenausflug, Fehltage, verpasste Klausur? Die Eltern können auf den Zetteln wie eh und je ankreuzen und diese dann wieder den Kindern mitgeben. Kommunikation über soziale Netzwerke oder Messenger-Dienste? Warum auch. Obwohl: Wenn der Lehrer die Beschwerde über das ungezogene Kind per Snapchat schicken würde, wäre die Nachricht wenigstens schnell wieder verschwunden.

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