Süddeutsche Zeitung

Zwischen den Zahlen:Revolution!

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Überall finden gerade vermeintliche Umstürze statt. Was soll das eigentlich? Und: Was haben die braven Schwaben neuerdings mit der radikalen, neuen Bewegung zu tun? Und welche Rolle spielen hier die "curvy supermodels" aus der Castingshow?

Von Veronika Wulf

Schwaben sind nicht für ihre Überschwänglichkeit bekannt. Schließlich "isch nix g'sagt gl'obt g'nug" (zu deutsch: Nichts gesagt ist genug gelobt). Volkmar Denner, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH, machte am Mittwoch eine Ausnahme. Eine "Revolution" sei die neue Technik von Bosch, die den Diesel sauberer machen soll, sagte er bei der Bilanzpressekonferenz im schwäbischen Renningen. Es ist ja schön, dass mal ein Schwabe lobt - wenn auch sich selbst. Aber Revolution? Zur Erinnerung: Das war das, was Lenin damals angezettelt hat. Und nicht ein neues Tool, das eine uralte Technik retten soll. Auch wenn es das vielleicht tun wird.

Dem Duden zufolge ist die Revolution ein "auf radikale Veränderung der bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse ausgerichteter, gewaltsamer Umsturz(versuch)" oder auch eine "umwälzende, grundlegende Neuerung". Wenn in Werbung und Medien von Revolution die Rede ist, ist meist eine Entwicklung gemeint, ein Fortschritt, bestenfalls eine Innovation. Manchmal aber auch nichts von alldem. Der Privatsender RTL II hat gerade angekündigt, dass mit der dritten Staffel von "Curvy Supermodel", einer Castingshow für mollige Models, "die Körperrevolution in die nächste Runde" gehe. Eine Revolution auf Raten also, jedes Mal "grundlegend neu". Es handelt sich übrigens um eine Sendung, in der sich junge Frauen leicht bekleidet in überdimensionierten Pralinenschachteln rekeln und von Juroren dafür kritisiert werden, dass sie zu dünn sind oder "nur eine Kurve" haben. Revolutionär ist anders.

Auch wenn der Kosmetik-Konzern L'Oréal Paris seine "Shave-Revolution" vorstellt (ein Rasiergel), dann ist das nur bedingt "umwälzend". Man bekommt fast Mitleid mit den versprengten Marxisten, die über dem Kommunistischen Manifest sinnierend von der tatsächlichen Revolution träumen, wenn man das hört. Zwischen "Küchen-Revolution", "Blumenwurzel-Revolution" und einer gewissen "Revolution des Augenaufschlags" fragt man sich, was eigentlich nicht als Revolution gilt. Eine Boulevardzeitung berichtete von einer "Bier-Revolution", einer "echten". Worin die besteht, verrät der Autor nicht, stattdessen schreibt er in gesunder Selbsteinschätzung: "Wir wollen da jetzt mal keinen Enthüllungsjournalismus machen." Das so schön nach Veränderung knurrende R am Wortbeginn verleitet Schreiberlinge dazu, es in völlig sinnbefreiten Alliterationen zu verwenden. "Revolution am Rost" titelt etwa ein Onlinemedium. Zugegeben: "Grillecke unter den Warengruppen in Gartencentern verzeichnet höchste Umsatzzuwächse im Langzeittrend" klingt nicht ganz so mitreißend.

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Quelle:
SZ vom 28.04.2018
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