Zwischen den Zahlen:Neue Welt

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Kalifornien will die Lücke zwischen Armen und Reichen schließen. Ist das die Abschaffung des Kapitalismus?

Von Paulina Würminghausen

Wer hat nicht schon mal davon geträumt, das Gehalt seines Chefs zu bekommen? Wenn man zum Beispiel für Jeff Bezos Pakete austrägt, für den - laut mehreren Rankings - reichsten Mann der Welt, dann würde schon eine Annäherung an dieses Gehalt reichen. Dann würde man vermutlich sehr viel lieber zwölf Stunden am Tag mit einem riesigen Amazon-Lkw durch enge Straßen cruisen, sich Blasen an den Füßen laufen, um am Ende Menschen (nur mit Morgenmänteln bekleidet) ihre Weihnachtsgeschenke in die Hand zu drücken. Denn irgendwie ist es ja schon ungerecht, wenn der Unternehmenschef Hundertmal so viel verdient wie man selbst, ohne dafür auch nur annähernd so viel laufen zu müssen. Oder morgens um acht vor einem halbnackten Menschen mit Kaffee-Atem stehen zu müssen.

Genau diese Ungerechtigkeit versuchen die Kalifornier nun auf revolutionäre Weise zu beheben. Nicht unbedingt nur bei Amazon, sondern bei allen reichen Unternehmen. Und das, indem sie das Gehalt des Chefs mit dem der einfachen Arbeiter verknüpfen. Die Wähler in San Francisco stimmten mit überwältigender Mehrheit mehreren Steuermaßnahmen zu, die sich an Immobilienbesitzer und Großunternehmen richten. Das soll die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abfedern.

In Zukunft zahlt also jedes Unternehmen, dessen oberste Führungskraft 100-Mal mehr verdient als sein durchschnittlicher Arbeitnehmer, einen Zuschlag von 0,1 Prozent auf seine jährliche Gewerbesteuer. Ist es 200-Mal so viel, dann 0,2 Prozent und so weiter. Das ist nicht viel; Jeff Bezos würde vermutlich noch nicht mal mit der Wimper zucken, verkauft er doch in einer Woche mal eben so Aktien im Wert von mehr als drei Milliarden Dollar. Aber die Idee ist revolutionär. Sie könnte die Lücke zwischen Arm und Reich zumindest ein kleines bisschen schließen. Kritiker sprechen dagegen von dem offensichtlichen Versuch der Umverteilung des Reichtums. Dann heißt es, wie in dem Lied von "KIZ" und Henning May, in der sie den Kapitalismus nieder singen: "Hurra, diese Welt geht unter".

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