Süddeutsche Zeitung

Zwischen den Zahlen:Na, wo isser denn?

Sowohl der Staubsauger-Roboter als auch das Home-Office sollen das Leben und Arbeiten einfacher machen. Treten sie jedoch gemeinsam auf, kommt es zu ungeahnten Wechselwirkungen - und beides geht schwieriger.

Von Veronika Wulf

Das Arbeiten im Home-Office berge die Gefahr, dass man sich dann doch um den Haushalt kümmere, heißt es oft. Aber zum Glück gibt es Staubsauger-Roboter. Man sitzt längst motiviert am Schreibtisch, als er pünktlich wie programmiert um 8.23 Uhr sein Tagewerk beginnt und dies mit einem Signal ankündigt, als starte ein Computerspiel für Windows 95. Natürlich gibt es auch die modernen Supersauger mit cooleren Sounds, die sogar wischen oder sprechen können. Wobei das wieder andere Probleme mit sich bringt: Das Modell eines asiatischen Herstellers sprach in der Basisversion nur Chinesisch. Immerhin ein "sehr niedliches Chinesisch", wie es auf einem Blog heißt.

Besagter Saugroboter im Home-Office kann nicht sprechen, dafür stupst er einem freundschaftlich gegen den Zeh, zieht sich aber direkt wieder diskret zurück und steuert die Türschwelle zum Flur an. Er wählt die höhere Seite (Altbau-Asymmetrie), der traut sich was! Er müht sich ab, jault auf, stößt immer wieder dagegen. Ein kurzer Blick vom Laptop auf: Soll man helfen? Nein, da muss er jetzt alleine durch.

Er überwindet die Schwelle mit Ach und Krach, dreht um und fährt direkt wieder runter. Lieber begibt er sich in die Zimmermitte, um dort dieselbe Bahn von 50 Zentimetern hin und her zu fahren. Man staunt. Fährt er sonst nicht mit der Amöbenstrategie: geradeaus - Hindernis - umdrehen? Interessant auch, wie die Lamellen-Bürsten rüsselnd über den Boden gleiten, wie die Fühler eines blinden Tiers... ach, man wollte ja arbeiten.

Er verlässt den Raum, wird leiser, still. Endlich Ruhe. Obwohl - jetzt ist es ein bisschen zu still. Man schaut nach: Der Kleine hat sich eingesperrt. Tür wieder auf, zurück zum Schreibtisch. Konzentration. Arbeit.

Es surrt. Oder ist das schon ein Röcheln? Man steht auf, schaut: Er hat sich mit einem Jutebeutel stranguliert. Gegen 9.50 Uhr kehrt er endlich erschöpft und mit hilfeschreiend rot blinkendem Batteriesymbol in die Aufladestation zurück - nicht ohne unterwegs noch über den Fuß des Wäscheständers zu fahren und dabei ein Häufchen Haare und Staub auszukotzen. Danke dafür. Wenigstens kann der Arbeitstag nun beginnen. Gesaugt wird später.

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Quelle:
SZ vom 11.01.2020
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