Zwischen den Zahlen:Klingt gut

Branchentagung, das klingt nach einer recht schnarchigen Veranstaltung. Doch wenn aus dem Gespräch unter Kollegen "Networking" wird, verbessert das die Außenwirkung enorm. Von der Bedeutung des richtigen Namens.

Von Janis Beenen

Optimierung scheint das wichtigste Gebot unserer Zeit zu sein. Das Gewöhnliche verschwindet aus dem Alttag, alles muss besonders sein - oder zumindest so wirken. Viele Familien halten dieser Tage zum Beispiel wieder Abiturfeierlichkeiten im Wert eines Kleinwagens ab. Zuweilen reicht schon ein ausgefallener Name für die exklusive Außenwirkung. Die Eisdiele an der Ecke heißt mittlerweile "Ice-Factory" statt "Veneziana" und der Friseursalon "Hairgott".

Wer die Optimierung des Gewöhnlichen in Perfektion erleben möchte, muss aber in die Welt der Unternehmen schauen. Branchentagung nennt sich das Konzept. Sei es bei Versicherern, dem sogenannten digitalen Mittelstand oder der Schraubenindustrie: Alle Sparten treffen sich regelmäßig zu Konferenzen, um miteinander zu reden.

Das liest sich erst mal wenig glamourös. Schließlich scheint das Reden vor allem in unsicheren Zeiten keine abwegige Idee zu sein. Bekommt das Bundesligateam in der Krise einen anderen Trainer, loben Spieler nach wenigen Tagen, dass "der neue Coach mehr mit der Mannschaft spricht". Bei Talkshows versammeln sich Abend für Abend Millionen Menschen vor den Fernsehern, um dem Gesprächskreis zu den drängenden Problemen des Landes (derzeit: Zukunft der großen Koalition oder Zukunft der großen Koalition) zu lauschen. Klar, dass sich auch Fachleute einer Branche über Herausforderungen beraten. Das wirkt banal.

Doch schon marginale Veränderungen in der Wortwahl sorgen bei einer schnarchigen Jahrestagung für eine gigantische Verbesserung der Außenwirkung. Aus dem einfachen Gespräch zwischen Kollegen wird "Networking". Dass das nicht mehr ist, als ein paar nette Worte zu wechseln und die Telefonnummer auszutauschen? Völlig egal. Auf der Bühne stehen natürlich längst keine Referenten mehr sondern "Speaker", die dem Publikum "Inputs" geben.

Plötzlich wirkt alles eine Nummer größer, eine Nummer wichtiger. Der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens spricht auf dem Podium von "der Digitalisierung als Megathema für unsere Branche" und alle Zuhörer versichern sich, dass sie wichtige "Learnings" mit nach Hause nehmen. Wenn der Moderator für das "Get-together" beim Lunch dann noch "gute Gespräche" wünscht, scheint das Silicon Valley nahe. Und der Familienbetrieb in Südwestfalen plötzlich so fern.

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