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Zwischen den Zahlen:Jetzt auch Aldi

Der Deutschen liebster Discounter betreibt nun auch einen Pop-up-Store. Für Hipster ist das ein Problem - wo sollen sie künftig nur einkaufen, wenn ihre Eltern bald auch dort sind? Da hilft nur eines: Subversion im Supermarkt.

Von Stephan Radomsky

Drei Monate, nicht länger. Es ist ein Geschäft auf Zeit - allerdings kein Lebensmittelgeschäft, sondern ein aus alten Schiffscontainern zusammengezimmertes Bistro in Köln. Bis in den Sommer hinein soll es dort bleiben, dann wieder verschwinden und in eine andere Stadt weiterziehen. Solche Läden blühen seit ein paar Jahren immer öfter auf, meist in leer stehenden Ladenlokalen in Berlin, Hamburg, München, Köln oder Frankfurt am Main. Ihre Vergänglichkeit gehört dabei zum Konzept: Der Laden "poppt" immer nur ganz kurz auf, bietet seine meist sehr schicken, sehr coolen Waren feil und ist dann einfach wieder weg, auf Nimmerwiedersehen. Wer nicht da war, hat Pech gehabt.

Der Gedanke dahinter ist recht simpel: Leere Läden sind billig, und bei jungen, trendigen Großstädtern ist alles angesagt, was selten oder nur kurz verfügbar ist. Also gebt ihnen mehr davon. Und mit "mehr davon" kennen sie sich aus bei Aldi. Zwar sind sie nicht die ersten, die das Kurz-da-und-dann-weg-Konzept ausprobieren, Lidl hatte auch schon mal einen Kurzzeit-Laden in Hamburg, damals für Klamotten. Wenn jetzt auch noch Aldi einsteigt, dürfte es ziemlich bald vorbei sein mit der Coolness des Pop-up-Stores. Wie soll man sich da noch von den Eltern differenzieren?

Die Idee geht damit endgültig den Weg so vieler Konsumtrends vor ihr: Cocktailbars, Bubbletea-Cafés, Burger-Bratereien - sie waren mal exklusive Orte, die ein bisschen Flair der weiten Welt verströmten. Inzwischen gibt es sie auch überall in der Provinz, sie sind einfach nichts Besonderes mehr. Das killt die Coolness.

Bei der Eröffnung von Aldis Pop-up-Bistro war das Phänomen schon ziemlich gut zu beobachten. Ja, ein paar Hipster waren auch da. Von verruchter Subkultur aber keine Spur, hauptsächlich bestand das Publikum aus ziemlich vielen, ziemlich konventionellen Mitgliedern der Oberschicht. Establishment statt Avantgarde. Und im nächsten Schritt kommt dann wohl auch noch der Jedermann von nebenan. Für Trendsetter und solche, die sich dafür halten, ist schon der Gedanke der reinste Graus.

Aber wo sollen die Coolen und Kreativen dann künftig einkaufen gehen, wenn Eltern den Pop-up-Store besetzt halten? Im Internet shoppen sie ja auch schon alle. Nun ja, der ganz klassische, etwas dröge, aber verlässliche Discounter wäre ja wieder frei. Subversion im Supermarkt, quasi. Das wäre doch vielleicht wieder ganz originell.

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Quelle:
SZ vom 29.04.2017
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