Süddeutsche Zeitung

Zwischen den Zahlen:Il conto

Eine Auszeit mit Freunden im Wirtshaus, ein Ausflug an den See? Oder gar Ferien im sonnigen Süden? Das geht gerade nur im Kopf. Aber wenn man lange genug an Urlaub denkt, passiert ganz Erstaunliches.

Von Jan Schmidbauer

Was Urlaub ist, das definiert jeder Mensch für sich selbst ein bisschen anders. Manche müssen unter einer Kokospalme in der Südsee liegen. Anderen reicht es schon, wenn der Mann mal nicht zu Hause ist. "Geh doch mal wieder mit Olli und Sebastian ein Bier trinken, Schatz." Für manche Ehepaare ist so eine Trennung auf Zeit keine Schande, sondern das, was der Mann von KPMG eine Win-win-Situation nennen würde. Auch die Zuführung von ein paar kalten Pils kann für manchen ja so etwas wie Urlaub sein. Erinnert sei an dieser Stelle an die bekannte Karikatur von Greser und Lenz, die das mal treffend zusammenfasste: Ganz zufrieden und mit sich im Reinen sitzt er im Wirtshaus, der Herr Mitte 30 (wir reden vom BMI, nicht vom Alter). Heraus bringt er nur einen kurzen, aber vielsagenden Satz, während er vor seinem schäumenden Bierseidel sitzt: "Saufen ist Urlaub im Kopf."

Nun möchte man in einer deutschen Tageszeitung niemandem zum Saufen als Urlaubsersatz raten. Die Sache mit dem Kopf allerdings kann man durchaus zur Nachahmung empfehlen. Man hatte es neulich selbst probiert - und der Urlaub war schnell zurück, erst in Gedanken und dann sogar in echt. Während man durch den schmutzigen Stadtpark lief, dachte man an den Ausflug ins Chianti. Mit dem Leihcabrio über die sanften Hügel, vorbei an Weinbergen. Man dachte an den letzten Tag am Lido Mitte September. Und an die Trattoria, in der es dieses unglaublich gute Florentiner-Steak gab - dazu einen Rotwein, der so schwer war, dass man schon nach einem Glas nicht mehr hätte fahren dürfen.

Es war nur ein paar Tage später, da hatte man die Toskana auch physisch wieder. Das Schreiben kam vom deutschen Autovermieter - aber mit Anhang aus Florenz, dieser sagenhaften Stadt, die in einem "normalen" Sommer unerträglich sein kann und in diesem wohl unerreichbar sein wird. Durch eine "zona traffico limitato" sei man gefahren, schrieb die Comune di Firenze. 70 Euro will sie haben. Ein hoher Preis für einmal falsch Abbiegen. Ein läppischer für eine Rückkehr in die Toskana.

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Quelle:
SZ vom 02.05.2020
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