Süddeutsche Zeitung

Zwischen den Zahlen:Geliefert

Die US-Handelskette Wal-Mart will Mitarbeiter nach Feierabend auf dem Arbeitsweg Pakete ausfahren lassen. Das Modell lässt sich ausweiten: der Pizzabäcker bringt dem Nachbarn die Pizza mit und der Fließbandarbeiter liefert Neuwagen aus.

Von Harald Freiberger

Der Arbeitsweg richtet gesamtwirtschaftlich großen Schaden an. Die Beschäftigten verlieren dabei viel Zeit, besonders wenn sie das eigene Auto benutzen, weil sie dabei nichts anderes machen können. Wer mit Bus oder Bahn fährt, kann wenigstens noch in sein Smartphone schauen, es gibt sogar Arbeitnehmer, die dabei arbeiten. Im Auto sieht man vielleicht manchmal jemanden, der nebenbei frühstückt, sich mit dem Akkugerät rasiert oder auch auf das Smartphone schaut, aber arbeiten kann er so nicht.

Und dann kommt noch hinzu, dass der Arbeitsweg steuerlich absetzbar ist, dem Staat dadurch also Einnahmen entgehen. Es muss in dieser Deutlichkeit festgestellt werden: Der Arbeitsweg ist für alle Beteiligten ein einziges Verlustgeschäft.

Das könnte sich nun ändern, wenn ein Test positiv verläuft, den die amerikanische Handelskette Wal-Mart gerade gestartet hat. Demnach sollen die Mitarbeiter der Filialen Pakete zustellen, die Kunden online bestellt haben. Das Besondere dabei ist, dass sie das nach Dienstschluss mit dem eigenen Auto tun sollen, für Kunden, die am Arbeitsweg wohnen. "Stellen Sie sich all die Strecken vor, die unsere Mitarbeiter auf dem Weg von der Arbeit nach Hause entlangfahren", sagt der zuständige Manager Marc Lore. Wal-Mart betreibt in den USA 4700 Filialen mit mehr als einer Million Mitarbeitern. Sie sollen für die Zustellung auch entlohnt werden, wie, steht noch nicht fest. Der Test könnte ein "game-changer" sein, meint Lore, also bahnbrechend.

In der Tat lässt sich damit das volkswirtschaftlich Schädliche mit dem betriebswirtschaftlich Nützlichen verbinden. Wal-Mart könnte einen Teil seiner Online-Zusteller und damit Kosten einsparen. Es ist ein Modell, das Zukunft hat in einer Zeit, in der immer mehr Menschen online einkaufen.

Das Modell lässt sich auch auf andere Bereiche ausweiten: Der Pizzabäcker bringt dem Nachbarn nach Dienstschluss was Warmes mit. Der Fließbandarbeiter liefert den Neuwagen aus, was auch den Vorteil hat, dass er für den Arbeitsweg keinen eigenen Wagen mehr braucht, weswegen er ihn nicht steuerlich absetzen kann und dem Staat Geld spart. Unendlich ausweiten lässt sich das Modell aber nicht. Beim Flugzeughersteller Airbus etwa stößt es an seine Grenzen.

Man muss auch die Frage stellen, was ist, wenn die Leute irgendwann alles online bestellen und nichts mehr in den Filialen einkaufen. Dann braucht man eigentlich auch keine Mitarbeiter in den Filialen mehr. Wer aber soll dann die Waren ausliefern?

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Quelle:
SZ vom 03.06.2017
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