Zwischen den Zahlen:Auf Udo

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Diese Krise eröffnet bisweilen völlig neue Perspektiven. Da ist der lokale Ruhm nicht mehr weit - immer vorausgesetzt, man hat die richtigen Verbündeten. Udo Lindenberg zum Beispiel: Man könnte ihn ja auf den eigenen Balkon einladen.

Von Angelika Slavik

Es ist unbestreitbar, dass man den komplizierten Zeiten einige sehr gute Dinge abgetrotzt hat. Man hat die öde Ikea-Box mit italienischem Möbelstoff bezogen und weiß seinen unglamourösen Besitz nun formidabel verstaut. Man hat jetzt einen dieser Kleiderschränke, in denen alles sortiert ist und gar nichts zusammengenudelt am Schrankboden vergammelt. Man hat, festhalten bitte, jetzt ein Ordnungssystem für Tupperware-Deckel. Insgesamt rechnet man jederzeit mit einem Besuch von Architectural Digest oder wenigstens von Schöner Wohnen.

Des Weiteren ist man sehr gut geworden im Abhängen. Man hängt zum Beispiel nachmittags am Balkon in der Sonne ab. Währendessen führt man schrecklich wichtige Telefonate. Zum Feierabend macht man auf Queen Mum und kippt einen kleinen Gin Tonic oder zwei. Weitere Telefonate. Weiteres Abhängen.

Natürlich ist man sehr besorgt wegen der Sache mit Udo Lindenberg. Udo Lindenberg musste aus dem Hotel Atlantic ausziehen, nach 26 Jahren. Da muss man schon sagen, Corona, genug ist genug. Udo Lindenberg ist jetzt "an einem geheimen Ort", sagt sein Manager. Man überlegt, ob man bereit wäre, Udo Lindenberg auf seinem Balkon unterzubringen. Das wäre natürlich sehr aufregend, es gäbe Eierlikör statt Gin Tonic, er könnte "Durch die schweren Zeiten" singen oder "Ich lieb dich überhaupt nicht mehr", je nachdem, wie lange die Krise dann eben schon dauert. Die Nachbarn wären begeistert und würden Handyvideos davon an die Mopo und die Bild schicken. Die würde titeln "Hier singt Udo gegen die Panik". Der Balkon wäre ein Ort der Zeitgeschichte und man selbst eine lokale Berühmtheit.

Es fällt einem dann aber ein, was Udo Lindenbergs Bodyguard mal erzählt hat. Dass er, sinngemäß, mit Lindenberg in einem Bett geschlafen hat, um sicherzugehen, dass der trotz exzessiven Eierlikörkonsums den nächsten Morgen erlebt. Das erscheint doch ausgesprochen anstrengend. Dann lieber noch irgendwas sortieren. Oder die Steuererklär... am besten ein bisschen abhängen. Vielleicht mit Udo, aus dem Lautsprecher, und einem kleinen Eierlikör.

© SZ vom 11.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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