Zweite Karriere: Wohnungen auf Zeit:Bloß keine Abstellkammer

Fulminante Geschäftsidee: Frauke Pflock wollte bei IBM Karriere machen, doch das wurde nichts. Nun vermietet sie Wohnungen auf Zeit: schick möbliert und ohne den muffigen Beigeschmack der Untermiete.

Meite Thiede

Ihr erster Kunde war Wigald Boning. Als der Komiker im Herbst 1993 eine vorübergehende Bleibe in Köln suchte, konnte Frauke Pflock das Passende bieten. Die frisch gebackene Unternehmerin hatte sich gerade erst in einer Nische des Wohnungsmarktes eingenistet: Sie vermittelte Wohnungen auf Zeit, schick möbliert und ohne den muffigen Beigeschmack der Untermiete.

Frauke Pflock: Bloß keine Abstellkammer

Frauke Pflock entdeckte eine Marktlücke: Sie bot möblierte Wohnungen an und baute nach und nach ein Unternehmen auf.

(Foto: Foto: : Thiede)

Sie wusste aus eigener Erfahrung, was Geschäftsleute zu erleiden hatten, wenn sie für Schulungen oder Projekte mehrere Monate in einer fremden Stadt arbeiten mussten: "Lausig möblierte Zimmer, mehr Abstellkammern als gemütliches Heim zum Auftanken" hatte sie in ihrer Zeit als IBM-Managerin erlebt. Mit ihrer Firma Zeitwohnen wollte die Marketing-Spezialistin nun "Oasen mit Wohlfühlfaktor" anbieten. Inzwischen beschäftigt ihre Firma in Köln-Rodenkirchen zehn Mitarbeiter und hat mehr als 2000 Objekte in der Kartei.

Angestrebt hatte die im fränkischen Erlangen geborene Pflock das Unternehmertum aber nie. Im Gegenteil: Der Vater war "Siemensianer", und für die Familie waren sowohl Jobsicherheit als auch soziale Annehmlichkeiten des Alltags fest mit dem Namen Siemens verbunden. Da lag für die Älteste der drei Kinder eine Karriere in einem Großkonzern nahe. Sie studierte BWL in Hamburg, und nach dem Diplom gelang ihr ein vielversprechender Start: Vier Jahre war sie bei einer kleinen Unternehmensberatung Projektleiterin für Btx und stellvertretende Geschäftsführerin. 1985 kam der erste Karrieresprung: Pflock wechselte ins Rheinland zu einem IT-Mittelständler mit 400 Mitarbeitern und war damit Marketingleiterin mit eigenem Team. Doch Ende der achtziger Jahre ging die Firma pleite.

Einfach wegrationalisiert

Mit 31 Jahren stand Pflock also zum ersten Mal ohne Job da, und die Wirtschaftslage war damals eher deprimierend. Mutlosigkeit gehört aber nicht zu den Eigenschaften der begeisterten Seglerin. Sie bewarb sich direkt bei Unternehmen und hatte bald einen Vertrag von einem Kaufhof-Tochterunternehmen in der Tasche. Doch da kam IBM auf sie zu. Der amerikanische Konzern galt damals als die erfolgreichste Marketing-Maschinerie der Welt und bot ihr einen Job im Neukundenvertrieb an - "ein ziemlich tougher Bereich", wie sie sagt.

Was die ehrgeizige Managerin besonders reizte, waren - neben dem attraktiven Gehalt - die Fort- und Weiterbildungsangebote des Weltkonzerns. Als Pflock dann das Management-Trainingscenter als Beste durchlief, schien einer steilen IBM-Karriere nichts mehr im Wege zu stehen. Ihr Ziel war das Marketing, aber zunächst wurde ihre eine Stelle als Vertriebsleiterin für Mittelstandskunden in Köln in Aussicht gestellt. Zur Vorbereitung arbeitete sie ein Jahr in der Hauptverwaltung - und ahnte nicht, dass ihre tristen Abende in möblierten Wohnungen ihr einst eine Geschäftsidee eingeben würden.

Während Pflock an ihrer Karriere arbeitete, schlidderte der IBM-Konzern in die Krise. In Deutschland wurden Tausende Stellen gestrichen. Und als Pflock die Stuttgarter Rotation beendet hatte, war die ihr zugedachte Stelle in Köln wegrationalisiert. Sie wurde nur Vertriebsbeauftragte statt Vertriebsleiterin. Pflock war zwar erleichtert, dass sie einen Job hatte, aber nicht zufrieden. "Meine Lebensplanung wurde langsam unrealistisch. Trotz aller Erfolge sah ich keine Chance, meine beruflichen Ziele zu erreichen."

Bei IBM hatte 1993 Lou Gerstner als Sanierer die Führung übernommen. Unter ihm wurde der Konzern komplett umgebaut. "In der Kantine drehten sich die Gespräche nicht mehr um die Kunden, sondern nur noch um Altersabsicherung. Aber für Rentengespräche fühlte ich mich mit 36 noch zu jung."

In der Sackgasse

Pflock sah sich in der Sackgasse. Bei IBM gab es keine Zukunftsperspektive, für die damals boomende New Economy war sie schon zu alt. 1993 wagte sie den Absprung und handelte mit etwas Glück eine Abfindung aus - das Startkapital für die Selbständigkeit. Denn Pflock war zwar inzwischen verheiratet, aber sie hatte nicht vor, die Zeit am heimischen Herd zu verbringen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum demnächst wohl weniger möblierte Wohnungen gebraucht werden.

Bloß keine Abstellkammer

Ihre zweite Karriere begann mit einem Experiment. Pflocks Ehemann besaß zwei kleine Apartments in Köln, und als dort die Mieter wechselten, richtete sie die Wohnungen so her, wie sie es in ihrer Stuttgarter Zeit gerne vorgefunden hätte, und bot sie möbliert an. Kaum fertig, waren sie schon vermietet. Als Freunde ein kleines Apartmenthaus bauten, konnte sie auch sie davon überzeugen, dass die Vermietung möbliert viel attraktiver sei. Auch diese Wohnungen waren im Nu vermietet.

Pflock schien eine Marktlücke entdeckt zu haben. Sie entwickelte einen Geschäftsplan, gründete eine Firma, schaltete Anzeigen, nahm Kontakt zu den Personalabteilungen von Unternehmen auf, ging ins Internet. Die kleine Firma florierte, hatte Stammkunden und mehrere hundert Wohnungen im Bestand - bis zum Jahr 2001. Nach den Terroranschlägen im September brach die Nachfrage weg, und die Unternehmerin musste feststellen, dass die Konkurrenz an ihr vorbeigezogen war. Ausgerechnet im Marketing hatte Pflock gepatzt: Die Wettbewerber warben im Internet mit Fotos für ihre Wohnungen, sie nicht. Pflock investierte in eine aufwendige 360-Grad-Präsentation und machte ihren Internet-Auftritt dreisprachig. "Richtig lernt man erst aus Fehlern", sagt sie heute: "Man darf sich keine Sekunde ausruhen."

Gewappnet für die Krise

Für die nächste Krise fühlt sie sich nun bestens gewappnet - und ist sicher, dass die auch unmittelbar bevorsteht. Ihre Kunden sind häufig Unternehmensberater oder Projektleiter, und viele arbeiten für die Autoindustrie. "Ich erwarte, dass Projekte zurückgefahren und weniger Geschäftsreisen gemacht werden, und dann werden auch weniger Wohnungen gebraucht."

Ihre Mannschaft hat sie schon auf harte Zeiten vorbereitet und bespricht Modelle für flexible Arbeitszeiten. Jobsicherung ist ihr ein Anliegen, und bisher hat sie auch noch niemanden entlassen müssen. Das soll so bleiben. Dem dient zum Beispiel das gerade gestartete Netzwerk: Zeitwohnen hat sich mit sieben Anbietern aus anderen Städten zusammengeschlossen und bietet nun bundesweit 17000 Objekte in der Datenbank von Zeitwohnwerk.de an.

Und Pflock hat auch schon eine Idee, wie sie der Flaute begegnet: Die Fristen werden angepasst. Heute vermietet sie die Wohnungen für einen bis zwölf Monate, künftig wird das auch unter vier Wochen gehen. Damit tritt Zeitwohnen in Wettbewerb zu den Hotels. Die Unternehmerin schmunzelt, und man sieht ihr an, dass sie sich auf die neue Herausforderung schon richtig freut.

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