Zwangsmaßnahmen geplant:EU nimmt Energiekonzerne an die Kandare

Der EU sind die hohen Strompreise weiterhin ein Dorn im Auge. Sie plant neue Zwangsmaßnahmen gegen Strommultis wie Eon, RWE und Vattenfall.

Alexander Hagelüken und Michael Bauchmüller

Die Europäische Kommission will niedrigere Preise bei Strom und Gas erzwingen. Geplant ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung, einen Teil der Gewinne der Energiekonzerne abzuschöpfen.

Außerdem wird die Kommission an diesem Mittwoch vorschlagen, die Unternehmen per Gesetz in zwei Teile zu zerlegen; die Konzerne sollen damit die Hoheit über die Netze verlieren. Diese Aufspaltung stößt auf Widerstand in wichtigen Mitgliedsstaaten wie Deutschland und Frankreich.

Energiekommissar Andris Piebalgs ist nach monatelangen Untersuchungen überzeugt, dass Kunden für Strom und Gas mehr zahlen als nötig. Dies gelte auch für die Bundesrepublik, in der die Konzerne RWE, Eon, EnBW und Vattenfall Europe 80 Prozent der gesamten Stromerzeugung unter sich aufteilen.

Sie betreiben zugleich alle Fernleitungen für Strom. Piebalgs will den Energieproduzenten das Eigentum an den milliardenschweren Leitungen nehmen, durch die Strom und Gas zum Verbraucher gelangen. Dadurch sollen die Konzerne nicht länger Wettbewerber behindern können, die ihre Netze benutzen müssen, weil sie keine eigenen besitzen.

"Dies ist der einfachste und klarste Weg'', heißt es im Entwurf des Gesetzes. In einigen Staaten, die ihre Konzerne bereits aufgespalten haben, sind die Energiepreise günstiger.

So zahlte ein durchschnittlicher Haushaltskunde in Deutschland im vergangenen Jahr 280 beziehungsweise 180 Euro mehr als Kunden in der Schweiz und Großbritannien, die Netz und Produktion von Energie getrennt haben.

Die Energiekonzerne wehren sich gegen die Zerschlagung, die sie als Enteignung betrachten. Sie sind außerdem besorgt über Brüsseler Pläne, in gewissen Fällen einen Teil ihrer Gewinne abzuschöpfen.

Wenn Konzerne einen Strom- oder Gasmarkt so stark beherrschen, dass es zu wenig Wettbewerb gibt, will die Kommission nationalen Regulierungsbehörden künftig mehr Macht geben.

Gewinnabschöpfung ein Teil des Gesetzes

Sie sollen ein dominantes Unternehmen zwingen können, einen Teil seines Stroms oder Gases zu Produktionskosten an Konkurrenten abzugeben. Die Wettbewerber könnten diese Mengen dann verkaufen. Das dominante Unternehmen würde die Gewinne verlieren, die es sonst gemacht hätte.

Diese Gewinnabschöpfung werde wahrscheinlich Teil des neuen Gesetzes, hieß es am Dienstag in Brüssel. "Eine solche Regel gibt den Behörden zu viel Spielraum'', kritisiert ein Strommanager. Bisher können die Behörden Gewinne nur abschöpfen, wenn sie einen Missbrauch durch das dominante Unternehmen nachweisen.

Der Brüsseler Vorstoß spaltet die Mitgliedsstaaten. Deutschland und Frankreich führen eine Gruppe von neun Staaten an, die sich gegen eine Zerschlagung ihrer nationalen Unternehmen sträuben. Ein Schutz der Konzern-Aktionäre durch einen Aktiensplit, der den Eigentümern Anteile an beiden Hälften der Konzerne sichern würde, ist den Regierungen nicht genug.

Die meisten dieser Staaten lehnen auch den Alternativ-Vorschlag ab, die Leitungen an eine unabhängige Gesellschaft zu überführen. Diese könnte künftig grenzüberschreitend die Strom- und Gasnetze verwalten. In Deutschland verlören damit etwa die vier großen Stromkonzerne die alleinige Souveränität über ihre Leitungen.

Welche Chancen die Vorschläge für einen intensiveren Energie-Binnenmarkt bei den Mitgliedsstaaten haben, ist völlig offen. "Wenn Deutschland und Frankreich bei ihrer Haltung bleiben, erwarten wir durchaus noch Änderungen'', hieß es am Dienstag in deutschen Branchenkreisen.

Die Unternehmen meinen, die EU-Kommission betreibe letztendlich eine Enteignung. Dies stehe aber in keinem Verhältnis zum Ziel des Vorstoßes. Derweil versucht Kommissar Piebalgs, durch Zugeständnisse ost- und südeuropäische Staaten aus der Gruppe der Widerständler zu lösen. Dadurch könnten Deutschland und Frankreich ihre Sperrminorität gegen das Gesetz verlieren.

Die Kommission will außerdem die für die Wirtschaft essentielle Energieversorgung vor dem Zugriff außereuropäischer Mächte schützen. Das Gesetz soll daher auch ein Vetorecht enthalten, mit dem Unternehmen wie Gazprom der Aufkauf von Strom- und Gasleitungen in der EU untersagt werden kann.

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