Zumwinkel: Der Prozess:Plötzlich im Rampenlicht

Zumwinkel auf der Anklagebank in Bochum: Der einstige Post-Chef soll über Liechtenstein Steuern in Millionenhöhe hinterzogen haben. Nach internen Querelen wechselten die Vertreter der Anklage - die neuen bleiben diskret. Daniela Wolters hat eine Schlüsselrolle.

H. Leyendecker

Es gibt ein Foto von der Heimsuchung Klaus Zumwinkels durch die Bochumer Staatsanwaltschaft, das sich eingebrannt hat. Es zeigt die Gruppe beim Verlassen des Hauses - im Vordergrund der Anwalt Hanns Feigen, dahinter der frühere Postchef und die Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen; hinten an der Haustür steht eine junge Frau im Trenchcoat. Sie könnte die Tochter des Hauses sein, aber ihr Name ist Daniela Wolters. Sie ist 34 Jahre alt und von Beruf Staatsanwältin.

Zumwinkel: Der Prozess: Staatsanwältin Daniela Wolters (li.), Post-Chef Klaus Zumwinkel und Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen

Staatsanwältin Daniela Wolters (li.), Post-Chef Klaus Zumwinkel und Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen

(Foto: Foto: dpa)

Fast ein Jahr nach der Aktion in Köln hat die Strafverfolgerin an diesem Donnerstag vor der Zwölften Großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Bochum ihren bislang größten Auftritt. Gemeinsam mit dem Bochumer Oberstaatsanwalt Gerrit Gabriel, 39, vertritt sie die Anklage im Prozess gegen den früheren Chef der Deutschen Post. Dem 65 Jahre alten Zumwinkel wird vorgeworfen, von 2002 bis 2007 mit Hilfe der Stiftung "Devotion Family Foundation" bei der Liechtensteiner LGT-Bank Steuern in Höhe von knapp einer Million Euro hinterzogen zu haben.

Anrufe beim Vater

Dass die junge Strafverfolgerin und der neue Leiter der Wirtschaftsabteilung 35 der Bochumer Staatsanwaltschaft gemeinsam die Anklage vertreten werden, war noch vor zwei Monaten nicht abzusehen. Damals schien sicher, dass die Staatsanwältin Lichtinghagen anklagen würde, und die Öffentlichkeit hätte sich vermutlich kaum dafür interessiert, wer neben ihr sitzen würde.

Der Prozess sollte, wie Lichtinghagen Journalisten erzählt haben soll, ihre "Krönungsmesse" sein. Daraus ist wegen der Querelen im Haus und der Aufregungen um die in eine Affäre verstrickte Staatsanwältin Lichtinghagen nichts geworden. Sie ist als Richterin zum Amtsgericht Essen gewechselt, aber derzeit krankgeschrieben.

Daniela Wolters, die seit November 2004 Staatsanwältin ist, hat in den vergangenen zwölf Monaten quasi ihr drittes Staatsexamen absolviert. Erst im Januar 2008 war sie von der Staatsanwaltschaft Köln zur Bochumer Behörde abgeordnet worden, um die Strafverfolger aus dem Revier bei den Steuerermittlungen in der Causa LGT zu unterstützen. Rund 780 ungelöste Fälle sollten erledigt werden. Alles war neu und aufregend. So wurde Zumwinkel in einer Akte mit den Listen der Namen vieler Verdächtiger unter Pseudonym eingetragen, damit niemand von der bevorstehenden Aktion in Köln Wind bekommen konnte.

Dann kam alles anders. Als Daniela Wolters frühmorgens gemeinsam mit Staatsanwältin Lichtinghagen zum Haus von Zumwinkel in Köln-Marienburg marschierte, wartete schon das ZDF auf die Ermittler.

Spröder Lehrmeister

Die junge Staatsanwältin, die so etwas noch nicht erlebt hatte, dachte zunächst, ein Fotoreporter wolle sein Bildchen machen. Im Verlauf der Durchsuchung wurde aus der Presse die Meute, und Daniela Wolters staunte immer mehr. Dass sie bei der Durchsuchung zugegen war, hing auch damit zusammen, dass sie in Köln wohnt.

Seit den Februartagen des vergangenen Jahres hat sie das große Einmaleins der Steuerstrafverfahren gepaukt. Da waren die gemeinsamen Sitzungen mit der Steuerfahndung Wuppertal, die auf der Seite des Fiskus die Aktionen koordiniert. Geleitet wurden die Treffen von einem alten Steuerfuchs, der schon viele Großverfahren hinter sich hat. Er kaut gewöhnlich die Worte, ist sehr spröde, was für Frischlinge irritierend sein kann, gilt aber als absoluter Profi. Daniela Wolters hat von ihm eine Menge gelernt.

Aus Duisburg war Anfang 2008 noch ein weiterer junger Kollege zur Schwerpunktabteilung in Bochum abgeordnet worden. Er ist erst seit drei Jahren Staatsanwalt und hat in seiner Heimatbehörde zumeist kleinere Wirtschaftsstrafsachen bearbeitet. Im ersten Bochumer Liechtenstein-Prozess im Juli vergangenen Jahres trug er den Anklagesatz vor. Er war dennoch nur Statist an der Seite der Star-Staatsanwältin.

Die Anklage hatte er vorher nicht mal gelesen. Er möchte seinen Namen derzeit nicht in der Zeitung lesen. Auch Daniela Wolters tut sich mit einigen Journalisten mittlerweile schwer. Eine Reporterin eines Magazins rief in diesen Tagen ihren Vater, einen Arzt, in der Praxis an, um sich zu erkundigen, was die Tochter so treibt. Es kann nicht ganz einfach gewesen sein, den Internisten ausfindig zu machen. Ihr Geburtsname ist nicht Wolters.

Der Vorfall ließ in Bochum die Alarmglocken schrillen. In der Staatsanwaltschaft liegen ohnehin seit Beginn der Lichtinghagen-Affäre die Nerven blank. Dass das Düsseldorfer Justizministerium zeitweise erwog, die im Clinch mit der Behördenleitung liegende Margrit Lichtinghagen nach Köln zu versetzen und ihr gleichzeitig alle verbliebenen Liechtenstein-Verfahren mitzugeben, hat für Verbitterung gesorgt. Daniela Wolters und der aus Duisburg abgeordnete Kollege wurden gefragt, ob sie unter diesen Umständen in Bochum bleiben wollten - sie sind geblieben.

Abteilungsleiter Gerrit Gabriel, der seit 1998 Staatsanwalt ist, hat nicht nur eine glänzende, sehr fixe Karriere hingelegt, sondern ist erfahren in Wirtschaftsstrafsachen. Der Beamte, der ein Jahr Beisitzer einer Schwurgerichtskammer in Hagen war, hat als Staatsanwalt im Bereich der organisierten Kriminalität und im Rotlichtmilieu ermittelt. Tankkarten-Fälschungen in großem Stil hat er aufgeklärt, und er war auch in einigen LGT-Fällen im Einsatz. Ein Foto, das ihn bei seiner Berufsausübung zeigt, gibt es dennoch nicht. Das wird sich am Donnerstag ändern.

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