Süddeutsche Zeitung

Zum Wohl:Bier aus der Apotheke

Die saarländische Karlsberg-Brauerei wählt für seine alkoholarmen Wellness-Biersorten einen ungewöhnlichen Vertriebsweg, um sich einen neuen Kundenkreis zu erschließen.

Silvia Liebrich

Der Wellness-Trend geht auch an der Bierbranche nicht spurlos vorüber. Das wachsende Gesundheitsbewusstsein der Deutschen schlägt sich in sinkenden Absatzzahlen der Brauereien nieder. Dies lässt die Hersteller auf der Suche nach neuen Verdienstmöglichkeiten erfinderisch werden. Mit neuen Produkten wie alkoholarmen Bieren oder Biermixgetränken gelingt es ihnen, den Absatzrückgang bei herkömmlichem Bier teilweise wieder wettzumachen.

Dem Chef der saarländischen Karlsberg-Brauerei GmbH, Richard Weber, ging dies allein aber noch nicht weit genug. Das neueste Produkt aus dem Haus Karlsberg, ein Frucht-Mischgetränk auf Bierbasis namens "Karla", wird ausschließlich in Apotheken verkauft, ein Absatzkanal, den vorher noch kein Bierproduzent wählte.

Testmarkt Saarland

"Der Vertriebsweg für ein solches Produkt ist entscheidend für den Erfolg", betont Weber im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Die Apotheken haben die größte Beratungskompetenz im Umgang mit Alkohol, und wir können so Kunden ansprechen, die wir sonst nicht erreichen". Im Auge hat er dabei unter anderem Frauen ab 40 Jahren aufwärts, die normal wenig Bier oder andere alkoholische Getränke konsumieren. Studien hätten gezeigt, dass 75 Prozent der Frauen über vierzig immerhin zwei Mal pro Woche in die Apotheke gingen, ergänzt er.

Seit Mai läuft die Testphase in 22 saarländischen Apotheken. Bislang laufe alles wunschgemäß, sagt Weber, "das Produkt kommt gut an, vor allem bei Kunden, die sonst nicht als klassische Biertrinker gelten". Läuft alles nach Plan, dann könnte das Getränk schon zu Beginn nächsten Jahres bundesweit auf diesem Weg vertrieben werden. Das Produkt, das zu 70 Prozent aus Bier und zu 30 Prozent aus Melisse, Vitaminen, Sojaextrakt, Folsäure und Lecithin besteht, gibt es in zwei Geschmacksvarianten. Der Alkoholanteil ist dabei mit 1,0 Volumenprozent deutlich niedriger als bei einem normalen Bier mit einem Anteil von etwa 5,5 Prozent.

Gesundes Bier

"In Maßen getrunken, ist Bier ein sehr gesundes Produkt und damit bestens geeignet als Basis für ein Gesundheitsprodukt", sagt Weber, der zugleich auch Präsident des Deutschen Brauer-Bundes ist. Das Potential des neuen Trunks hält er für groß, räumt aber ein, "dass es kein Massengeschäft werden wird". Er beziffert den allgemeinen Absatz von Getränken über das Apotheken-Vertriebsnetz auf insgesamt 100 000 Hektoliter. Im Vergleich zu einem jährlichen Bierabsatz von 105 Millionen Hektoliter in Deutschland ist das nur ein sehr geringer Anteil.

Weber will die neue Kundschaft vor allem von den gesundheitsförderlichen Eigenschaften des Hopfens überzeugen, der unter anderem den Wirkstoff Xanthohumol - ein so genanntes Antioxidans - enthält. Diese Substanz soll unter anderem helfen, Krebs und Herzerkrankungen zu vermeiden. Außerdem wurde im Hopfen Tanin nachgewiesen, das auch in Rotwein vorkommt und ebenfalls dazu beiträgt, Herzkrankheiten vorzubeugen.

Diese Hopfen-Idee ist allerdings nicht ganz neu. Die Brauerei Weihenstephan brachte mehr als ein Jahr vor Karlsberg zwei ähnliche Biermischgetränke auf den Markt, das abgeleitet von Xanthohumol "Xan" heißt und auf die gesunde Wirkung des Hopfens setzt. Das Getränk gibt es in zwei Varianten, einmal als Xan Hefeweißbier mit einem Alkoholgehalt von 5,4 Prozent und als Xan-Wellness, zusammengesetzt aus alkoholfreiem Weißbier und 60 Prozent Mehrfruchtgetränk.

Image pflegen

Mit alkoholfreiem Bier als Produkt für Gesundheitsbewusste werben inzwischen bereits zahlreiche Hersteller, wie etwa die Erdinger Brauerei, die auf die isotonische Wirkung des Produkts verweist, es als "ideales Getränk für die ausgewogene Sportlerernährung" vermarktet und damit großen Erfolg hat.

Karlsberg-Chef Weber sieht in der Einführung des neuen Apothekenbiers auch eine Chance, das Image des Konzerns zu fördern. Die 1878 gegründete Karlsberg-Gruppe erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 650 Millionen Euro und schreibt positive Zahlen. Nähere Angaben veröffentlicht das Unternehmen, das mehrheitlich der Familie Weber gehört, nicht.

Eine Minderheitsbeteiligung von 22 Prozent hält der niederländische Heineken-Konzern. Zur Karlsberg-Gruppe gehören unter anderem der Mineralbrunnen Überkinger, die Fruchtsaft-Hersteller Merziger, Vaihinger und Dietz. Gut zwei Drittel des Umsatzes werden mit alkoholfreien Getränken erzielt.

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SZ vom 12.09.2005
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