Zulieferer:Ohne Haftung

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Der Arbeitgeberverband lehnt ein von der Bundesregierung geplantes Lieferkettengesetz ab. Die Beziehungen der Firmen untereinander seien zu komplex. Man könne Unternehmen nicht für das Verhalten Dritter verantwortlich machen.

Von Caspar Dohmen, Berlin

Um zu verdeutlichen wie schwierig die Situation deutscher Unternehmen bei der Umsetzung von Menschenrechten sein kann, schildert Peter Clever ein Erlebnis aus Südafrika zur Zeit der Apartheid. Im Werk eines deutschen Automobilbauers habe es einen Eingang für weiße und einen anderen Eingang für schwarze Beschäftigte gegeben. "Das war geltendes Recht und gleichzeitig eine Verletzung der Menschenrechte", sagt Clever, der heute beim Bundesverband der Deutschen Arbeitgeber tätig ist und sich gegen den seiner Meinung nach in der Öffentlichkeit weit verbreiteten Eindruck wehrt, deutsche Unternehmen würden sich nicht für Menschenrechte interessieren, "das Gegenteil ist richtig". Anlass für seine Äußerungen sind die Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) für ein Lieferkettengesetz für deutsche Unternehmen.

"Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel, wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen", sagte Entwicklungshilfeminister Müller dieser Tage angesichts der Ergebnisse einer Umfrage unter großen deutschen Unternehmen: Lediglich 20 Prozent erfüllen nach eigener Einschätzung ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten. Ein Lieferkettengesetz soll nach dem Willen von Heil und Müller Haftungsfragen klären, Sorgfaltspflichten definieren und verhältnismäßig sein. Mit einem solchen Gesetz beträte die Bundesregierung Neuland. Gegen ein solches Lieferkettengesetz läuft der Arbeitgeberverband Sturm. Zwar könnten hiesige Unternehmen dafür sorgen, dass bei Auslandstöchtern die "Menschenrechte eingehalten werden", aber nicht bei Zulieferern, sagt Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer und verweist auf komplexe Lieferbeziehungen. "Man kann nicht Unternehmen für das Verhalten Dritter verantwortlich machen, obwohl diese gar keinen Zugriff haben und das auch nicht prüfen können", sagte Kramer und warnte: Mit einem Lieferkettengesetz "stehe ich ja schon mit beiden Beinen im Gefängnis." Der BDA sieht die Gefahr, dass Handlungen von autonomen Dritten und sogar von fremden staatlichen Stellen deutschen Unternehmen zugerechnet werden könnten, etwa wenn ein bestochener Arbeitsinspektor eine fehlerhafte Fabrik abnimmt und es zu einem Unglück kommt.

Diese Einschätzung teilt Johanna Kusch, Referentin Unternehmensverantwortung bei Germanwatch nicht. Keinesfalls sollten Unternehmen für das "Verhalten Dritter in Haftung genommen werden", sondern nur für ihr "eigenes schuldhaftes Verhalten", sagt Kusch, etwa für "vorsätzliches oder fahrlässiges Außerachtlassen der Sorgfaltspflicht". Und dieses Außerachtlassen müsse zumindest auch mit kausal dafür gewesen sein, dass ein Schaden eingetreten sei. Voraussetzung dafür sei aber, dass die Unternehmen ihre Lieferketten kennen würden.

Seit den 1970er Jahren sind einige Anläufe auf Ebene der Vereinten Nationen gescheitert, grenzüberschreitend tätige Unternehmen für die Zustände bei Zulieferern mit in die Verantwortung zu nehmen. Das Problem hat an Relevanz gewonnen, weil immer mehr Unternehmen Produktion an Dritte ausgelagert haben, manche sogar komplett. Mittlerweile setzen sich auch diverse Unternehmen für ein Lieferkettengesetz ein, kürzlich erst 42 Firmen, darunter große Konzerne wie Hapag Lloyd oder Nestlé Deutschland. Entwicklungshilfeminister Müller will Vorreiterunternehmen vor unfairer Konkurrenz schützen und fordert deswegen beispielsweise für die Textilindustrie "Standards für die gesamte Produktionskette vom Baumwollfeld bis zum Bügel zu garantieren". Für den Arbeitgeberverband ist dies "völlig unrealistisch".

© SZ vom 16.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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