Zulassung von Genmais:Volkes Wille? Uns doch egal!

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Mehr als drei Viertel der Deutschen lehnen Gentechnik ab, doch für Kanzlerin Merkel zählen die Interessen der Agrarlobby mehr als die Ängste der Bürger. Bei einer EU-Abstimmung über eine Genmaissorte wird sich die Regierung daher enthalten - ein herber Schlag für die Verbraucher.

Ein Kommentar von Silvia Liebrich

Dass sich Regierungen oft nicht davon beeindrucken lassen, was die Bürger wollen, ist nichts Neues. Und in vielen Fällen kann dies durchaus berechtigt sein. Ginge es etwa nach dem Willen der meisten Deutschen, würden sie wohl keine Steuern zahlen, und für das Überfahren einer roten Ampel gäbe es keine Punkte in Flensburg. Das ist die eine Sache. Eine ganz andere ist es jedoch, wenn sich die Bundesregierung über erhebliche Bedenken der Bevölkerung hinwegsetzt - und zwar ohne jede Not. Beispiel dafür ist die jüngste Entscheidung der großen Koalition zur Zulassung einer neuen, gentechnisch veränderten Maissorte in der EU.

Obwohl mehr als drei Viertel der Bundesbürger Gentechnik auf Feldern und Tellern ablehnen, kann sich Merkels Regierungsmannschaft nicht zu einem Nein bei einer wichtigen Abstimmung durchringen, die am Dienstag in Brüssel ansteht. Dabei geht es um die Anbauerlaubnis für eine Maissorte mit der Nummer 1507. Die wurde mit Gentechnik so verändert, dass sie gegen ein Pestizid resistent ist und mehrere Insektengifte produziert, um Schädlinge abzuwehren. Eine Pflanze, deren Risiken mindestens genauso umstritten sind wie ihr Nutzen.

Gentechnik
:Kampf um den Mais

Die genveränderte Maissorte 1507 könnte bald die EU-Zulassung erhalten. Dabei sind die Risiken für die Umwelt umstritten. Auch die Bundesregierung ist uneins.

Von Katrin Blawat und Daniela Kuhr

Kurios an der Sache ist, dass Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am liebsten gegen eine Zulassung der Maissorte stimmen würde. Doch die meisten seiner Kabinettskollegen sind da anderer Meinung, und dem muss er sich beugen. Die Bundesregierung wird sich deshalb bei der Abstimmung auf EU-Ebene der Stimme enthalten. Was de facto aber einem Ja entspricht, weil die Abstimmung vermutlich so knapp ausgehen wird, dass der Antrag mit einem Veto Deutschlands vielleicht sogar vom Tisch sein könnte.

Merkel will die Wirtschaftsklientel nicht vergrätzen

Dieses undurchsichtige Taktieren ist nicht nur ein herber Schlag für die Konsumenten, sondern auch Indiz dafür, dass der Verbraucherschutz auf der Prioritätenlisten der großen Koalition nicht besonders weit oben rangiert, nach dem Motto: "Volkes Wille? Uns doch egal!" Die Interessen der Agrarlobby wiegen offenbar schwerer als die Ängste der Bürger.

Völlig neu ist diese Erkenntnis freilich nicht. Schon Friedrichs Vorgängerin Ilse Aigner hatte ihre Not mit Angela Merkels Kurs in der Gentechnikfrage. Die Bundeskanzlerin hat ihren Willen nun auch in der großen Koalition durchgesetzt. Dort heißt es zwar unter anderem, die Regierungsparteien würden Vorbehalte eines Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik anerkennen. Doch die Kanzlerin will auch die Wirtschaftsklientel nicht vergrätzen, Merkel steht im Wort bei der Chemie- und Agrarindustrie. Vor allem Bayer und BASF wünschen sich ein gentechnikfreundliches Umfeld in Deutschland.

Während Gentech-Pflanzen rund um den Globus auf dem Vormarsch sind, bekommen die Anbieter in Europa kaum ein Korn in die Erde. Das kostet sie Umsatz und Gewinn. Denn jenseits der ideologisch geführten Debatten ist die grüne Gentechnik vor allem eines: ein knallhartes Geschäft, das von einer Handvoll internationaler Agrarkonzerne dominiert wird, allen voran das US-Unternehmen Monsanto. Diese Firmen setzen alles daran , den Markt für Saatgut und damit die Ernährungsgrundlage der Menschheit unter ihre Kontrolle zu bringen.

Jedes Jahr werden mehr Spritzmittel eingesetzt

Patente auf Pflanzen sind dafür ein mächtiges Instrument. Wenn bei der Züchtung Gentechnik im Spiel ist, sind solche Patente leichter zu bekommen und die Landwirte müssen oft höhere Lizenzgebühren für Saatgut zahlen. Werden Pflanzen dann noch so gezüchtet, dass sie resistent sind gegen Pestizide, lassen sich Umsatz und Gewinn leicht verdoppeln. Denn große Agrarkonzerne liefern neben Saatgut in der Regel auch die notwendigen Spritzmittel.

Die versprochenen höheren Ernteerträge bleiben die Gentechnikkonzerne bislang jedoch schuldig, das zeigen Studien. Stattdessen werden auf den Äckern dieser Welt jedes Jahr immer noch größere Mengen an giftigen Spritzmitteln eingesetzt. Das schadet nicht nur der Umwelt, sondern auch den Verbrauchern. Denn sie müssen am Ende nicht nur für die höheren Produktionskosten der Landwirte aufkommen, sondern auch für Umweltschäden.

Wenn der EU-Rat nächste Woche in Brüssel über den Genmais abstimmt, geht es aus deutscher Sicht also um die grundsätzliche Frage, welche Richtung die Bundesregierung bei der Gentechnik einschlagen wird. Die geplante Enthaltung macht schon jetzt deutlich, dass es einen Kurswechsel unter Merkels Regierungsführung nicht geben wird. Eine große Chance für eine verbraucherfreundlichere Politik in Berlin ist damit vertan.

© SZ vom 07.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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