Zukunft des Shoppens:Mit Roger durch den Supermarkt

Elektronische Hilfe beim Einkaufen: Der Einzelhandel will mit neuen Konzepten Geld sparen, aber die Kunden machen nicht alles mit.

Stefan Weber

Wenn Kunden des Real-Markts im niederrheinischen Tönisvorst wissen möchten, wo sie Biokartoffeln finden, können sie Ally fragen. Oder ihren baugleichen Zwillingsbruder Roger. Die beiden sprechenden Roboter schieben in dem 8600 Quadratmeter großen Laden Dienst als "Innovationslotse".

Innovationslotse, Foto: Metro AG

Elektronischer Begleiter: "Innovationslotse" Roger führt die Kunden durch den Real-Markt im niederrheinischen Tönisvorst.

(Foto: Foto: Metro AG)

Ein paar Fingerübungen auf dem am Rücken der beiden Helfer montierten Touchscreens, und Ally und Roger setzen sich in Richtung des gewünschten Ziels in Bewegung. Vorbei am Fischstand, wo Meeresrauschen oder Möwengeschrei zu hören sind und Duftduschen Aromawolken versprühen, die an Kräuter der Provence erinnern. Und vorbei an der Zapfanlage, an der Kunden auf Knopfdruck einen Minibecher mit ihrem favorisierten Wein füllen können.

Der im Mai 2007 eröffnete Markt ist so etwas wie die Zukunftswerkstatt des deutschen Einzelhandels. In dem SB-Warenhaus testet die Metro-Gruppe gemeinsam mit etwa 80 anderen Unternehmen neue Konzepte und Technik. "Wir wollen den Einkauf für die Kunden erlebnisreicher machen", sagt Gerd Wolfram, Geschäftsführer der MGI Metro Group Information Technologie, einer Tochter des größten deutschen Handelskonzerns.

Verstärkter Einsatz von Technik

Und natürlich soll sich der verstärkte Einsatz von Technik auf Sicht auch in Euro und Cent auszahlen. Denn die Zeiten im Lebensmittelhandel, der schon heute mit schmalen Margen arbeitet, werden noch härter. Dafür sorgt schon die sich verändernde Bevölkerungsstruktur.

Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wird der Anteil der Altersgruppe "60 plus" von aktuell etwa 25 Prozent auf etwa 29 Prozent im Jahr 2016 steigen. "Infolge des demografischen Wandels werden sich Sortimente und präferierte Einkaufsstätten verändern", meint Jörg Pretzel, Geschäftsführer von GS1Germany.

Unter Federführung des Kölner Dienstleistungsunternehmens haben eine Reihe der führenden Unternehmen aus Handel und Industrie eine Studie erstellt, die sich unter anderem damit beschäftigt, wie die Menschen in Deutschland im Jahr 2016 einkaufen.

Nahversorger bevorzugt

Weil Senioren meist mehr Zeit haben als junge Leute und seltener Großpackungen wählen, werden sie der Untersuchung zufolge häufiger, vielleicht sogar täglich, einkaufen. Dabei werden sie Nahversorger mit Produkten des täglichen Bedarfs in ihrer Nähe bevorzugen.

"Nachbarschaftsläden, die auf Frische setzen und es schaffen, ein persönliches Verhältnis zu ihren Kunden aufzubauen, haben eine gute Zukunft", meint Pretzel. Wichtig sei, dass der Ladenbetreiber sich persönlich stark engagiere, was häufig nur bei selbständigen Kaufleuten der Fall sei.

In einem solchen Markt würden die Verbraucher künftig öfter auch Lebensmittel verlangen, die aus der Region stammen und keine langen Transportwege hinter sich haben. Dagegen sei die Akzeptanz von Artikeln mit dem Etikett "Bio" begrenzt. "Angesichts der Fülle von Bio-Produkten wächst das Problem der Glaubwürdigkeit", sagt Pretzel.

Unterschiedliche Zielgruppen

Auch die Tatsache, dass es die Menschen immer mehr in die Städte zieht, wird der Studie zufolge die Handelslandschaft verändern. Das bedeute, dass die Zahl der Geschäfte im ländlichen Raum abnehme. "Stattdessen nimmt dort die Bedeutung von Versandhandel und Onlineshopping zu", prognostiziert das Dienstleistungsunternehmen GS 1.

In den Ballungsräumen machten dagegen immer mehr Geschäfte für unterschiedliche Zielgruppen auf. Die zunehmend ältere Bevölkerung und Single-Haushalte bevorzugten kleine Outlets und Nachbarschaftsläden. Dagegen würden vor allem Familien nach wie vor das Angebot von Einkaufszentren auf der grünen Wiese in Anspruch nehmen.

Das Einkaufsverhalten der Kunden, so prognostizieren die Forscher, wird künftig noch stärker in Abhängigkeit von der Situation wechseln. Ihren täglichen Bedarf deckten die Verbraucher möglicherweise in noch größerem Umfang als heute bei Discountern. Aber gleichzeitig kauften sie Premiumprodukte beim Feinkosthändler und bestellten Kosmetikprodukte im Onlineshop.

Verlangsamtes Wachstum

Langfristige Kundenbindung, so stellen die Autoren der Studie resigniert fest, lasse sich angesichts dieses differenzierten Konsumverhaltens nur schwer erreichen. Gleichwohl ist Pretzel davon überzeugt, das die Discounter weiter Marktanteile gewinnen werden. Allerdings werde sich deren Wachstum verlangsamen.

Auch würden sich Aldi, Lidl und Co. wieder stärker auf das Geschäft mit Lebensmitteln konzentrieren. Im Non-Food-Bereich seien die Ideen ausgereizt und es stelle sich immer häufiger das Problem: Wohin mit der nicht verkauften Ware?

Und was wird aus den Dinosauriern des Einzelhandels, den Warenhäusern? Als einzelne Platzhirsche räumt Pretzel ihnen Überlebenschancen ein. "Aber als filialisierende Betriebe werden es Kaufhäuser schwer haben", meint der GS1-Geschäftsführer. Zu einer Verödung der Innenstädte muss es seiner Meinung nach deshalb aber nicht kommen.

Wahl zwischen Selbst- und Fremdbedienung

Denn viele Standorte von Kaufhof oder Karstadt beispielsweise ließen sich in Shoppingcenter umbauen. Dort biete sich Platz für Fachmarktkonzepte, wie sie etwa im Bereich Parfümerie, Buch, Tierbedarf bereits sehr erfolgreich betrieben würden.

Ganz gleich, wo die Menschen künftig einkaufen - sie können sich darauf verlassen, dass es weiter Kassen mit einem "richtigen Kassierer" geben wird. Versuche, Kunden den Inhalt ihres Einkaufswagens ausschließlich selbst scannen zu lassen, sind fehlgeschlagen. Nach kurzer Zeit mussten die Ladenbetreiber die Kassen wieder besetzen, weil die Verbraucher einen Bogen um die Märkte machten.

Aber wer mag, wird in Zukunft in immer mehr Geschäften beim Bezahlen an der Kasse die Wahl haben zwischen Selbst- oder Fremdbedienung. Schließlich haben die Banken dem Einzelhandel vorgemacht, wie sich Personalkosten sparen lassen: indem man die Kunden immer mehr Aufgaben selbst erledigen lässt, beispielsweise an Geldautomaten und Überweisungsterminals.

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