Zukunft der europäischen GM-Standorte:Da waren's nur noch ...

10.000 Jobs will GM bei Opel streichen - ohne Werksschließungen wird das kaum gehen. Doch wer muss dran glauben? sueddeutsche.de analysiert die Perspektiven der Standorte.

Tobias Dorfer

Erst kam die Überraschung, dann die ersten Fakten. Nur wenige Stunden nach der überraschenden Entscheidung von General Motors (GM), die europäischen Töchter Opel und Vauxhall zu behalten, gaben die Amerikaner bekannt, 10.000 Stellen streichen zu wollen - und damit in etwa so viel, wie der gescheiterte Investor Magna. An den Opel-Standorten in Europa beginnt nun das große Zittern. "10.000 Arbeitsplätze abzubauen, das geht nur, wenn ein Werk geschlossen wird", sagt Willi Diez, der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Nürtingen. Nur welcher Standort fällt? sueddeutsche.de zeigt die Perspektiven der europäischen Werke.

Opel, Rüsselsheim, GM

Opel-Werk in Rüsselsheim: Welcher Standort fällt?

(Foto: Foto: GM)

Rüsselsheim

Rüsselsheim ist das Herz von Opel. Im Stammwerk südwestlich von Frankfurt am Main beschäftigt der Autokonzern etwa 15.600 Mitarbeiter. Auch das neue Erfolgsmodell Insignia läuft hier vom Band. Opel selbst preist den Standort als "modernstes Werk der Welt". Juwel der Anlage ist jedoch das Internationale Entwicklungszentrum, von dem selbst General-Motors-Chef Fritz Henderson sagt, es werde künftig eine zentrale Rolle im Konzern spielen. Auch Autoexperte Diez sieht den hessischen Standort nicht in Gefahr: "In Rüsselsheim wurde viel Geld investiert."

Zukunftsaussichten

Die Zukunft von Rüsselsheim ist gesichert.

Eisenach

Eisenach

Eisenach, GM

Opel-Werk Eisenach: Hier wird der Corsa hergestellt.

(Foto: Foto: GM)

Seit 1992 produziert Opel auch im thüringischen Eisenach - und zwar den Kleinwagen Corsa. 1800 Menschen arbeiten in dem Wert, das als eines der modernsten gilt.

Auch der verschmähte Investor Magna hatte mit Eisenach viel vor. Die Thüringer hätten Produktionskapazitäten aus dem spanischen Zaragoza erhalten sollen, wo ebenfalls der Corsa hergestellt wird. Eisenach zählt zu den modernsten und produktivsten Werken im europäischen Verbund von General Motors.

Zukunftsaussichten

Auch unter General Motors hat Eisenach gute Chancen.

Zaragoza, Spanien

Zaragoza, GM

Opel-Werk Zaragoza: Konkurrent von Eisenach.

(Foto: Foto: GM)

Zaragoza, Spanien

Auch im spanischen Zaragoza wird der Opel Corsa hergestellt. Außerdem produzieren die 7000 Angestellten auch den Minivan Meriva sowie den Combo. Zaragoza ist einer der umstrittensten Standorte im Reich von General Motors. Lange hätten die Spanier "sehr stark mit Qualitätsproblemen gekämpft", erklärt Auto-Experte Diez.

Das sei vor allem am Corsa aufgefallen, der - in besserer Qualität - auch in Eisenach produziert wird. Inzwischen hätten die Spanier jedoch aufgeholt. Auch deshalb hat der gescheiterte Opel-Interessent Magna an dem Werk festgehalten. Maximal 900 Jobs sollten abgebaut werden.

Zukunftsaussichten

Zaragoza ist ein Standort auf dem Prüfstand und damit ein Wackelkandidat.

Bochum

Bochum, GM

Opel-Standort Bochum: Auf dem ehemaligen Zechengelände arbeiten noch 5200 Menschen.

(Foto: Foto: GM)

Bochum

Das Zittern ist bei Opel in Bochum schon zum Dauerzustand geworden. 5200 Mitarbeiter arbeiten auf dem ehemaligen Zechengelände an den Kompaktautos Astra und Zafira. Damit ist Opel der größte industrielle Arbeitgeber der Region.

Doch seit Jahren müssen die Bochumer Opelaner um ihre Jobs bangen. Immerhin soll jedoch ab 2010 auch der neue Astra in Bochum gefertigt werden, nur deutlich schneller - was erneut mit einem Abbau von Arbeitsplätzen einhergeht. So lauteten jedenfalls die bisherigen Pläne. Doch nach der Absage des Magna-Deals beginnt an der Ruhr das Bangen von vorn. Denn: "Bochum ist nicht der modernste Standort", sagt Auto-Experte Willi Diez. Und dann steht er auch noch in Konkurrenz zum polnischen Werk Gliwice, wo ebenfalls Astra und Zafira hergestellt werden - nur preisgünstiger. Für Diez ist klar: "Bochum ist das schwächste Glied in der Kette". Ein kleiner Hoffnungsschimmer: GM-Vize John Smith sagte zuletzt, für Bochum gebe es interessante Optionen.

Zukunftsaussichten

Bochum

Bochum ist stark gefährdet.

Kaiserslautern, Foto: GM

Komponentenwerk-Kaiserslautern: Die "Allrounder" aus der Pfalz.

(Foto: Foto: GM)

Kaiserslautern

Kaiserslautern

Für die strukturschwache Westpfalz ist Opel einer der wichtigsten Arbeitgeber. Bei Opel in Kaiserslautern sind knapp 3600 Menschen beschäftigt, sie stellen Motoren und Achsen sowie Komponenten für Karosserie, Chassis und Innenraum her.

Und genau das ist das Manko des Standorts: Da Kaiserslautern ein reines Zulieferwerk ist, laufen hier keine Autos vom Band. Experten mutmaßen, die Herstellung von Komponenten könnten recht einfach in die anderen Werke verlagert werden.

Somit werden es die "Allrounder" aus der Pfalz schwer haben unter General Motors. Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen sieht Kaiserslautern und Bochum in Deutschland als wahrscheinlichste Streichkandidaten.

Zukunftsaussichten

Die Sorge der Opel-Belegschaft in der Pfalz ist berechtigt. Kaiserslautern wird es schwer haben.

Gliwice, Polen

Gliwice, Reuters

In Gliwice stellt Opel den Astra und den Zafira her.

(Foto: Foto: Reuters)

Gliwice, Polen

Das jüngste Opel-Werk steht im polnischen Gliwice. Hier rollen seit 1998 die Kompaktautos Zafira und Astra vom Band - wie in Bochum, nur viel günstiger.

Die Arbeitsplatzkosten in Polen betragen nur einen Bruchteil der Kosten in Deutschland. Auch deshalb hat die Bedeutung des Werks in den letzten Jahren zugenommen. Knapp 3600 Menschen arbeiten an dem modernen und äußerst produktiven Standort.

Zukunftsaussichten

Gliwice steht in direkter Konkurrenz zu Bochum, denn beide Werke produzieren dieselben Autos - ein Vorteil für die Polen. Sie haben auch unter GM nichts zu befürchten. Gliwice wird erhalten bleiben.

Antwerpen, Belgien

Antwerpen, AP

Steht das Opel-Werk Antwerpen vor dem Aus?

(Foto: Foto: AP)

Antwerpen, Belgien

Auch in Belgien werden Autos von Opel hergestellt - und zwar in der Hafenstadt Antwerpen. Hier wird der Opel Astra montiert. Noch. Denn das Werk in der Region Flandern steht schon seit Jahren auf der Streichliste ganz oben.

Im Frühjahr 2007 stand das Werk schon einmal vor dem Aus, damals einigte sich General Motors mit der Belegschaft, lediglich 1400 Stellen abzubauen. Auch der verschmähte Opel-Investor Magna wollte Antwerpen zunächst schließen.

Zukunftsaussichten

Düster, dunkel, Antwerpen - der belgische Standort ist wohl nicht mehr zu retten. GM-Vize John Smith hat das Aus für das Werk bereits angekündigt.

Ellesmere Port, Foto: dpa

In Großbritannien werden die Opel-Modelle unter dem Namen Vauxhall produziert.

(Foto: Foto: dpa)

Luton und Ellesmere Port, Großbritannien

Luton und Ellesmere Port,Großbritannien

Wenn sich ein Land über die Entscheidung von General Motors, Opel doch zu behalten, freut, dann ist das Großbritannien. Dort produziert die Opel-Tochter Vauxhall in Luton nahe London und in der nordenglischen Industriestadt Ellesmere Port mit 4700 Beschäftigten Astra, Astra Van und die Vivaro-Kleinbusse.

Die Briten hatten das Magna-Konzept stark kritisiert. Schließlich sah der Plan vor, das Werk in Luton bis 2013 zu schließen. Vor allem die Arbeitnehmervertreter hatten gefürchtet, dass deutsche Arbeitsplätze bevorzugt worden wären. Der Rückzieher von General Motors sorgte daher für große Freude im Königreich. "Das ist die beste Entscheidung für Großbritannien und unsere Fabriken", sagte Tony Woodley, der Generalsekretär der Gewerkschaft Unite.

Allerdings könnte die Tatsache, dass Großbritannien nicht zum Euroraum gehört, ein Manko für die britischen Werke sein, mutmaßt Autoexperte Willi Diez. Lange Jahre wären Luton und Ellesmere Port wegen des starken Pfunds "hochdefizitär" gewesen. Mittlerweile notiert die britische Währung schwächer, doch bleibt es dabei?

Zukunftsaussichten

Zumindest das Werk in Luton ist stark gefährdet.

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