Zukunft der Energie:USA werden größter Ölproduzent der Erde

Die Zeit der Abhängigkeit von ausländischem Öl geht für die USA zu Ende. Sie überholen einer OECD-Prognose zufolge im kommenden Jahrzehnt sogar Saudi-Arabien als größten Ölproduzent der Erde. Dafür verantwortlich ist aber die umstrittene Fördermethode Fracking, die Umweltschützern ein Graus ist.

Jannis Brühl und Markus C. Schulte von Drach

Zukunft der Energie: Die Ausbeutung von Schiefergas aus tiefliegendem Gestein boomt in den Vereinigten Staaten: Ölarbeiter im US-Bundesstaat Pennsylvania.

Die Ausbeutung von Schiefergas aus tiefliegendem Gestein boomt in den Vereinigten Staaten: Ölarbeiter im US-Bundesstaat Pennsylvania.

(Foto: AFP)

Die Autoren sprechen von einer "Zeitenwende". Amerika kann seinen Hunger nach Energie bald selbst stillen und die Dominanz der Staaten des Nahen Ostens auf dem Ölmarkt angreifen. Das prognostiziert der Weltenergieausblick der Internationalen Energieagentur (IEA), eine der wichtigsten jährlichen Analysen der globalen Energieversorgung. (PDF)

"Ab ungefähr 2020 werden die Vereinigten Staaten voraussichtlich zum weltweit größten Ölproduzenten (und überholen damit Saudi‐Arabien bis Mitte der 2020er Jahre)". IEA-Chefökonom Fatih Birol sagte bei der Vorstelung der Prognose am Montag in London sogar, dies dürfte schon gegen 2017 der Fall sein. Das Land würde "netto fast zum Selbstversorger". 2030 werde es mehr exportieren als importieren. Momentan kauft Amerika noch 20 Prozent seiner Energie ein. Mehr als ein Drittel des benötigten Öls kommt vom Kartell der großen Ölproduzenten Opec, in der die undemokratische Golfstaaten und Venezuela, das vom Amerika-Gegner Hugo Chavez regiert wird, den Ton angeben. (PDF) Während mehr Öl gefördert werde, heißt es weiter, griffen auch die neuen Vorgaben, mit denen die USA den Kraftstoffverbrauch von Autos im Land senken wollen.

Umstrittene Technologie des Fracking

Das Land, dem Kritiker oft vorwarfen, in Nahost für Öl Krieg geführt zu haben, hat sich energiepolitisch verändert. Präsident Barack Obama hat unter anderem den Verbrauch von Autos gesenkt und regenerative Energien gefördert.

Vor allem boomt aber in der Wildnis der USA - und Kanadas - das sogenannte Fracking, eine Technik, bei der Flüssigkeit mit Druck in tiefliegende Gesteinsschichten geschossen wird. So werden fossile Brennstoffe gelöst. Schiefergas kann aus tieferen Erdschichten gewonnen werden, aber auch Ölformen, die zuvor tief im Gestein festsaßen - sogenanntes "light tight oil". In den USA hoffen viele, dass diese Energiewende das Land aus der Abhängigkeit vom Öl nahöstlicher Despotien befreit und damit auch jener von China. Denn bei China haben sich die USA bisher das Geld für ihre Energiekäufe geliehen. Abhängigkeit von saudischem Öl ist ein Grund dafür, dass hochrangige US-Politiker die Menschenrechtslage in dem arabischen Land nur zaghaft kritisieren - zugunsten der ökonomischen und militärischen Allianz. Fracking ist wirtschaftlich und politisch erfolgreich, aber äußerst umstritten.

Umweltschützer rebellieren gegen die Methode: Die Chemikalien, die dem Wasser beigemischt würden, könnten Grundwasser oder Erdoberfläche verseuchen. Zudem könne radioaktives Material an die Oberfläche gespült werden. Obama will die Auflagen für Fracking verschärfen. In Deutschland hat sich zuletzt das Bundesumweltamt für strengere Regeln ausgesprochen. Vor allem die Entsorgung des verschmutzten Abwassers - der sogenannte Flowback - bereitet der Behörde Sorgen. Deshalb sprach sie sich für ein Verbot von Erdgas-Fracking in Gebieten aus, in denen Trink- oder Heilwasser gewonnen wird.

Langfristig wird die Opec als Ganzes ihre dominante Stellung behalten. Sie wird ihre Fördermengen deutlich steigern und ihren Anteil an der Produktion von derzeit 42 Prozent auf bis zu 50 Prozent im Jahr 2035 erhöhen können.

Auf der Suche nach dem nachhaltigen Pfad

Für die Weltwirtschaft bedeutet die neue Unabhängigkeit der USA dem Papier zufolge auch, dass das boomende, aber rohstoffarme Asien als Abnehmer arabischen Öls noch wichtiger wird und "die Frage der Sicherheit der strategischen Handelswege vom Nahen Osten nach Asien in den Vordergrund rückt". Doch ganz werden die USA der globalen Verflechtung nicht entrinnen können, denn: "Kein Land ist eine 'Energieinsel". Das Land werde sich nicht von den Entwicklungen an den internationalen Märkten abschotten können, auch wenn es weniger Öl importiere.

Der Preis für ein Barrel Öl (circa 159 Liter) soll der IEA zufolge bis 2035 inflationsbereinigt auf 125 Dollar steigen. Derzeit liegt er bei 109 Dollar. Der Bericht zeigt in einem regionalen Schwerpunkt zum Irak auch, dass acht Jahre nach der amerikanischen Invasion die Ölproduktion in dem arabischen Staat auf Hochtouren läuft. Bis 2035 wird der Irak der IEA zufolge für fast die Hälfte des Anstiegs der Ölproduktion verantwortlich sein und Russland als zweitgrößten Exporteur abgelöst haben.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gründete die IEA 1974 in der ersten Ölkrise, auch, um ein Gegengewicht zur Opec zu schaffen. Heute gehören der IEA 28 Staaten an. Ihre Analysen und Prognosen sollen helfen, Energieversorgung zu sichern und hohe Energiepreise abzufedern. Mittlerweile gehört auch der Umbau zu klima- und umweltfreundlichen Energieformen zu ihren Schwerpunkten. Kritiker, darunter auch Vertreter der erneuerbaren Energiebranche, haben der Organisation in der Vergangenheit vorgeworfen, das Potential dieser Formen der Stromerzeugung systematisch kleinzurechnen, weil sie der Öl- und Nuklearindustrie zu nahe stehe.

Der globale Energieverbrauch soll dem Bericht zufolge bis 2035 um ein Drittel steigen - vor allem, weil China, Indien und der Nahe Osten so viel Brennstoff brauchen. Bei diesem Boom spielen umweltfreundliche Formen der Energiegewinnung nicht die Rolle wie erhofft. Die Diagnose ist nach jahrelanger Debatte um Klimawandel und Ökostrom ernüchternd: Es gelinge wohl immer noch nicht, "das globale Energiesystem auf einen nachhaltigeren Pfad zu lenken", heißt es im Weltenergieausblick.

Ziel der internationalen Gemeinschaft ist es, die Erderwärmung in der Zukunft auf maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen. Gegenwärtig sieht es so aus, als würde dieser Punkt bereits 2017 erreicht. Auch wenn nun schnell energieeffizientere Technologien eingeführt würden, blieben der Welt vielleicht fünf Jahre mehr, um sich endlich auf eine Verringerung der Emissionen zu einigen, sagt IEA-Chefökonom Birol. Allerdings zeige die Analyse, "dass ohne konzertierte politische Bemühungen zwei Drittel des ökonomisch realisierbaren Potenzials zur Verbesserung der Effizienz bis 2035 nicht realisiert werden".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: