Energieversorgung:Deutschlands Strom wird grüner

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Die installierte Leistung der Erneuerbaren Energien stieg hierzulande im vergangenen Jahr um zwölf Prozent. Beim Strom aus Sonne wurde das Jahresziel sogar übertroffen. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Mehr Solar, mehr Wind: In Deutschland geht es voran mit dem Ausbau der Erneuerbaren. An anderer Stelle aber hakt es.

Von Nakissa Salavati

Deutschlands Strom soll grüner werden und 2024 war für dieses Ziel ein gutes Jahr: Es entstehen hierzulande deutlich mehr Solaranlagen und Windräder. Die installierte Leistung der Erneuerbaren stieg um knapp 20 Gigawatt auf insgesamt 190 Gigawatt, wie die Bundesnetzagentur ermittelt hat. Das entspreche einer Steigerung von zwölf Prozent. Auch für die Versorgung ist das eine gute Nachricht, schließlich soll sie perspektivisch klimaneutral sein. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel genommen, dass der Ausbau bis 2030 deutlich steigt. Festgeschrieben ist das Vorhaben im Erneuerbare-Energien-Gesetz.

Der Blick auf 2024 zeigt nun: Die Solarleistung wurde mit 16,2 Gigawatt noch einmal etwas stärker erhöht als im Vorjahr, insgesamt waren in Deutschland damit 99,3 Gigawatt installiert. Das übertrifft das Jahresziel deutlich. Zwei Drittel der Anlagen wurden auf Gebäuden und Dächern errichtet, ein Drittel auf größeren Flächen, heißt es in dem Bericht. Bayern hat 2024 mit vier Gigawatt die meiste Solarleistung installiert.

Immer beliebter werden außerdem Balkonkraftwerke, also Solaranlagen, die man recht unkompliziert am Balkon anbringen kann. Bei der Bundesnetzagentur waren 2024 etwa 435 000 Anlagen registriert, es kam doppelt so viel Leistung hinzu wie im Vorjahr. Nicht alle Anlagen werden bei der Bundesnetzagentur registriert, die Behörde geht daher davon aus, dass die Zahl höher ist.

Für Windanlagen an Land gilt: Auch hier wird zugebaut, das Ziel aber verfehlt. 2,5 Gigawatt kamen 2024 hinzu, weniger als im Vorjahr. Statt 69 Gigwatt sind es insgesamt nur 63,5 Gigawatt Leistung. Ändern könnte sich das in den kommenden Jahren, denn die Genehmigungen neuer Anlagen nehmen deutlich zu. Gemessen an der Leistung der geplanten Kraftwerke lagen sie 90 Prozent über dem Wert von 2023. Das stimme ihn optimistisch, sagte Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller: „Das wird sich in steigenden Zubauzahlen in den nächsten Jahren auszahlen.“ Allerdings seien manche Bundesländer deutlich schneller als andere, besonders langsam erteilten Behörden in Bayern und Baden-Württemberg Genehmigungen, heißt es von der Chefin des Bundesverbands Wind, Bärbel Heidebroek: „Es braucht endlich die Trendwende für den Süden Deutschlands.“

Anders als an Land wurde in der Ost- und Nordsee 2024 mehr als doppelt so viel Windleistung zugebaut wie noch im Vorjahr, insgesamt 9,2 Gigawatt. In Deutschland ist auf See zwar weniger Leistung installiert als an Land, die Windanlagen erzeugen aber aufgrund ihrer Lage deutlich mehr Strom und sind daher besonders wichtig.

Vom Zubau hängt auch ab, wie sich in der Stromerzeugung die Anteile zwischen Erneuerbaren und fossilen Energieträgern verschieben. 2023 machte Strom aus Wind, Solar, Biomasse und Wasserkraft zum ersten Mal mehr als die Hälfte aus, 2024 waren es bereits knapp 60 Prozent. Wie bereits im Vorjahr hat Deutschland zwar insgesamt weniger Strom erzeugt, aber auch in absoluten Mengen entstand aus Wind und Sonne mehr Strom. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck betonte außerdem, dass die Kohleverstromung erneut zurückgegangen ist.

Der Zubau und die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Anlagen ist zwar für die Energiewende eine gute Nachricht. Allerdings reicht das allein nicht aus. Noch ist es nämlich immer wieder so, dass an besonders windigen und sonnigen Tagen Anlagen stundenweise mehr Strom erzeugen als das Netz aufnehmen kann. Dann werden die Anlagen abgeschaltet, das kostet Milliarden Euro. Weil der Strom aber andernorts fehlt, müssen dort teure Kohle- oder Gaskraftwerke einspringen. Deswegen werden die Netze in Deutschland ausgebaut, müssten aber noch deutlich erweitert werden. Zudem wird die Erzeugung von Strom immer stärker vom Wetter abhängig, neue Gaskraftwerke und Großspeicher sollen einen Ausgleich schaffen. Auch müsste das Stromsystem flexibler werden und der Strom vor allem in Stunden genutzt werden, wenn er entsteht – schließlich lässt sich der Verbrauch häufig zeitlich verschieben. Vieles davon wollte die Bundesregierung noch in ihrer Amtszeit umsetzen. Der Bruch der Koalition hat nun zur Folge, dass Pläne gestoppt wurden und das Parlament nicht mehr über sie abstimmen wird.

Einfach anhalten lässt sich die Energiewende nicht, verzögern könnte eine neue Bundesregierung sie allerdings schon. Im Wahlprogramm von CDU und CSU heißt es zwar: „Wir bauen Netze, Speicher und alle Erneuerbaren aus.“ Der Kanzlerkandidat der beiden Parteien, Friedrich Merz, schlug neulich in einer Talk-Show aber erneut kritische Töne an und sagte, Windräder seien eine Übergangstechnologie: „Ich glaube sogar, dass wir, wenn wir was richtig machen, eines Tages die Windkrafträder wieder abbauen können, weil sie hässlich sind und weil sie nicht in die Landschaft passen.“ Zur Ästhetik von Atomkraftwerken, deren Rückbau Merz gerne stoppen würde, äußerte er sich nicht.

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