Süddeutsche Zeitung

Video-Telefonie:300 Millionen Zoom-Teilnehmer täglich

Der amerikanische Videotelefonie-Betreiber legt wegen der Coronavirus-Pandemie ein grandioses Quartal hin. Nur: Wie sind diese Zahlen zu bewerten?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Der Umsatz des Videotelefonie-Betreibers Zoom ist im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 169 Prozent auf 328,2 Millionen Dollar gestiegen, der Gewinn von 200 000 Dollar auf 27 Millionen Dollar. Das Unternehmen hat ein für sich grandioses Quartal hingelegt, und Gründer Eric Yuan machte im Telefonat mit Experten keinen Hehl daraus, dass Zoom zu den Profiteuren der Coronavirus-Pandemie gehört: "Die Leute haben unsere App in ihren beruflichen, schulischen und privaten Alltag integriert."

Nach dem Bekanntwerden der Quartalszahlen stieg der Wert einer Aktie zum ersten Mal auf mehr als 200 Dollar. Am Mittwoch zum Handelsauftakt ging es weiter aufwärts, der Kurs kletterte um gut fünf Prozent auf gut 218 Dollar. Zoom-Technikchef Harry Moseley sagte kürzlich: "Es ist ein Extremsituation. Wir werden nicht von heute auf morgen wieder das tun, was wir vorher getan haben. Andererseits ist Home-Office nicht für jedermann. Es wird einen Mittelweg geben müssen."

Das rasante Wachstum von Zoom verlief nicht so reibungslos wie die Videokonferenzen mit mittlerweile mehr als 300 Millionen Teilnehmern pro Tag. Das Unternehmen hatte zum Beispiel bei dieser Zahl zunächst von 300 Millionen Nutzern gesprochen - dabei wird ein Nutzer, der etwa an fünf Konferenzen teilnimmt, fünf Mal gezählt. Ein kleiner Fehler, gewiss. Gravierender waren die Vorwürfe, dass es Zoom mit Sicherheit und Privatsphäre nicht so genau nehme. Den Begriff "Zoombombing" wurde zum geflügelten Wort dafür, wenn sich jemand unerwünscht in Konferenzen zuschaltete und dort nicht nur Mist erzählte, sondern auch pornografische Inhalte oder Nazi-Symbolik verbreitete. Experten warnten zudem, dass die vom Unternehmen gepriesene Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gar keine solche war.

Zoom hat inzwischen viele Fehler behoben, etwa durch den Zukauf des Verschlüsselungs-Spezialisten Keybase, die Technologie ist noch immer führend. Trotzdem bleibt angesichts der Lockerungen bei den Coronavirus-Restriktionen und der Bemühungen der Konkurrenten Microsoft, Facebook und Google die Frage: Wie erfolgreich ist Zoom nach der Pandemie? "Die Welt wird eine andere sein, und es gibt für Zoom zahlreiche Möglichkeiten, davon zu profitieren", sagt Todd Gordon von der Analysefirma Ascent Wealth Partners. Michael Bapis von Rockefeller Capital Management dagegen warnt: "Es bleiben die Risikofaktoren Nachhaltigkeit und Sicherheit - und der Druck, Konferenz-Teilnehmer zu zahlenden Kunden zu machen." Im Moment ist Zoom eines der interessantesten Unternehmen der Technikbranche - und es gibt die Chance, dass die neuen Zahlen nicht nur eine Momentaufnahme sind, sondern der Hinweis auf langfristigen Erfolg.

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