Die Börsen sind am Montag zum dritten Mal in Folge abgestürzt. Der Deutsche Aktienindex (Dax) brach zum Handelsstart am Morgen um zehn Prozent ein. Schon am Donnerstag und Freitag hatte das Börsenbarometer nach den Zoll-Ankündigungen von US-Präsident Donald Trump massiv an Wert verloren. Das Minus seit dem Höchststand Anfang März betrug vorübergehend 21 Prozent. Das bedeutet, dass die 40 größten deutschen Aktiengesellschaften an der Börse mehr als ein Fünftel ihres Wertes eingebüßt hatten; genauso groß waren die Verluste der Anleger, die in den Index investieren.
Im Laufe des Tages konnte der Dax seine Verluste verringern. Am Ende schloss er mit 4,3 Prozent im Minus. Börsenexperten hatten gehofft, dass sich die Aktienkurse nach den starken Einbrüchen zum Wochenanfang erholen würden. Doch das Gegenteil geschah. Schon die japanische Börse, die wegen der Zeitverschiebung immer den Anfang macht, brach um acht Prozent ein – und damit noch mal deutlich stärker als an den beiden Vortagen. Es war das Signal, dass die internationalen Investoren den Zoll-Schock immer noch nicht verdaut haben. Auch der US-Börsenindex S&P 500 und die US-Computerbörse Nasdaq öffneten mit rund zwei Prozent im Minus. Die Verluste setzten sich gebremst fort, am S&P 500 war am Abend dann um 0,23 Prozent auf 5062,25 Punkte gefallen.
Der US-Notenbankchef will erst einmal abwarten
„Das 21. Jahrhundert hat nun auch seinen Schwarzen Montag“, kommentierte Jens Klatt, Analyst beim Broker XTB. Die Anleger fürchten, dass der sich anbahnende Handelskrieg die Inflation nach oben treibt und eine weltweite Rezession auslöst. Trump hatte Zölle von 20 Prozent für die EU, von 34 Prozent für China und von bis zu fast 50 Prozent für andere asiatische Länder wie Vietnam angekündigt. China reagierte bereits mit Gegenzöllen ebenfalls in Höhe von 34 Prozent.
„Der Einbruch ist deshalb so groß, weil es diesmal keine Institution gibt, die dagegenhält“, sagt Manfred Schlumberger, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Fürstlich Castell’schen Bank. Bei den Abstürzen der vergangenen Jahre nach Ausbruch der Corona-Epidemie und des Ukraine-Krieges seien die Notenbanken mit Zinssenkungen und die Staaten mit Hilfsprogrammen eingeschritten. Das bleibe jetzt aus: Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, hat signalisiert, dass er erst einmal abwarten wolle. Und die Staaten können und wollen nicht die Schäden ausgleichen, die durch Strafzölle entstehen. „An vorderster Stelle müsste das ja Trump tun, der alles angerichtet hat“, sagt Schlumberger.

Die Investoren sähen derzeit nichts, das den Kursverfall stoppen könnte. Die einzige Lösung wäre, wenn Trump sich zu Verhandlungen mit den einzelnen Staaten bereit erklären und die Zölle zum Beispiel für vier Wochen aussetzen würde, wie er es vor Wochen schon mit Mexiko und Kanada gemacht hat. Solange das nicht passiere, „spielt der Markt das Rezessionsszenario“, sagt der Ökonom. Eine Rezession sei zwar besonders in den USA noch weit weg, die Zölle könnten aber dazu führen: Sie verteuern in die USA importierte Produkte, die Inflation steigt, Verbraucher können sich dadurch weniger leisten, die Unternehmen setzen weniger ab, ihre Gewinne fallen. Die Aktienmärkte nehmen dieses Szenario derzeit schon vorweg.
Der US-Präsident hat die Zolleinnahmen schon verplant
Trump signalisierte zwar Bereitschaft, unter bestimmten Bedingungen mit Handelspartnern über eine Lockerung der neuen Zölle zu reden. Gleichzeitig zeigte er sich entschlossen, seinen harten Kurs fortzusetzen, das bekräftigte er am Montagabend am Rande seines Treffens mit Israels Premier Benjamin Netanjahu. Am Vortag hatte er bereits gesagt: „Ich will nicht, dass irgendetwas nach unten geht, aber manchmal muss man Medizin nehmen, um etwas in Ordnung zu bringen.“
Das Problem ist auch, dass Trump die Einnahmen aus den Zöllen bereits einkalkuliert hat, um die Staatseinnahmen aufzubessern. Klein beigeben könne der US-Präsident deshalb eventuell gar nicht, kommentierte Experte Klatt. Denn für die USA gehe es um einen Schuldenberg von mehr als 36 Billionen Dollar – darunter rund zehn Billionen, die bereits dieses Jahr refinanziert werden müssten.
Ein Handelskrieg macht eine erneute Rezession der deutschen Wirtschaft wahrscheinlicher. „In der kurzen Frist wird sich die neue Bundesregierung schwertun, den unmittelbaren Handelsschock abzufedern“, schrieben die Ökonomen Marc Schattenberg und Robin Winkler von der Deutschen Bank. Daher könnte sich die bisherige Wachstumsprognose von 0,3 Prozent für 2025 als zu optimistisch herausstellen. „Insgesamt neigen sich die Konjunkturrisiken für 2025 in Richtung eines dritten Rezessionsjahres in Folge“, so die beiden Experten. Europas größte Volkswirtschaft ist bereits 2023 um 0,3 Prozent geschrumpft, 2024 dann um weitere 0,2 Prozent.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte in Berlin, Kanzler Olaf Scholz (SPD) beobachte die Entwicklung an den Finanzmärkten genau und tausche sich darüber sowohl mit den Amtskollegen in der EU als auch mit seinem designierten Nachfolger Friedrich Merz (CDU) aus. Europa dürfe jetzt nicht emotional reagieren, sondern müsse das weitere Vorgehen klug und besonnen abwägen, um einen Handelskrieg möglichst zu vermeiden. „Wir brauchen weniger Handelshemmnisse und nicht mehr“, betonte Hebestreit mit Blick auf den Vorschlag von Trump-Berater Elon Musk, eine europäisch-amerikanische Freihandelszone einzurichten und sämtliche Importabgaben zu streichen. „Insofern wäre insgesamt ein Senken von Zöllen sicherlich eine Maßnahme, von der alle profitieren könnten“, so der Sprecher.
Auch die EU versucht zu deeskalieren: Sie bietet den USA eine Vereinbarung zur gegenseitigen Aufhebung aller Zölle auf Industriegüter an. Trotz der Zollentscheidungen von Trump sei man bereit zu verhandeln, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel.