GroßbritannienZölle-Deal zwischen USA und Großbritannien

Lesezeit: 3 Min.

Der britische Premierminister Keir Starmer und US-Präsident Donald Trump verstehen sich.
Der britische Premierminister Keir Starmer und US-Präsident Donald Trump verstehen sich. (Foto: Carl Court/AP)

Großbritannien schafft es als erstes Land, nach Donald Trumps globalem Zoll-Schock einen Deal mit den USA auszuhandeln.

Von Martin Wittmann

Keir Starmer kann vieles nicht so gut. Zum Beispiel schafft er es intern nicht, den Briten zu beweisen, dass seine Labour-Partei das Vereinigte Königreich aus der Krise führen kann. Auch hat er extern die EU bisher nicht wirklich davon überzeugen können, dass man sich nach der Brexit-Kälte wieder füreinander erwärmen will. Und letztens hat er auf dem Fußballplatz auch noch einen Elfmeter verschossen. Aber eines kann der Premierminister offenbar so gut wie kaum ein anderer Politiker dieser Welt: mit Donald Trump umgehen.

Ein „gewaltiges Handelsabkommen mit Vertretern eines großen und hoch angesehenen Landes. Das erste von vielen“ kündigte der US-Präsident in der Nacht auf Donnerstag auf seiner Plattform Truth Social an, in Großbuchstaben und mit drei Ausrufezeichen versehen. Später löste er das Rätsel selbst: Durch die „volle und umfassende“ Handelsvereinbarung würden die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich für viele Jahre gefestigt, schrieb er. Damit ist Starmer der erste Staatschef, der Trump zu einem signifikanten Deal im globalen Zoll-Wahnsinn bewegen konnte.

Zur Erinnerung: Nahezu die ganze Welt ächzt unter den Zoll-Beschlüssen, die der US-Präsident gnaden- bis wahllos seit Amtsantritt verkündet hat. Starmer war es da mit seiner ruhigen, bedachten Art, die weder mehrfache Ausrufezeichen noch Großbuchstabengebrüll kennt, bereits gelungen, in manchen Punkten glimpflicher als etwa die EU davonzukommen: Den Briten wurde bei der Einfuhr ihrer Produkte in die USA nur ein Basiszollsatz von zehn Prozent aufgehalst, der EU hingegen 20 Prozent.

Die Handelsbilanz mit den USA ist in etwa ausgeglichen

Die universellen 25 Prozent auf Stahl- und Aluminium sowie auf Autos und Autoteile konnten hingegen nicht mal die Briten bislang umgehen. Vor allem die Autobranche litt unter der Maßnahme, importieren die Amerikaner doch britische Wägen im Wert von immerhin neun Milliarden Pfund im Jahr. Allein die Firma Jaguar Land Rover verkaufte 100 000 Autos im Jahr in die USA. Nach der Zollankündigung stoppte der Konzern den Export dorthin kurzzeitig.

Laut der neuen Vereinbarung nun soll der Zollsatz für eine Quote von 100 000 britischen Fahrzeugen auf zehn Prozent reduziert werden. Flugzeugteile von Triebwerkshersteller Rolls-Royce sollen gar zollfrei in die USA eingeführt werden können. Im Gegenzug werde Großbritannien Flugzeuge von Boeing im Wert von umgerechnet neun Milliarden Euro importieren. Zölle auf britischen Stahl und Aluminium sollen komplett aufgehoben werden.

Großbritannien senkt seine Zölle für US-Waren von 5,1 Prozent auf 1,8. Fleischexporte aus den USA nach Großbritannien sollen zunehmen – ohne dass die Lebensmittelsicherheit angetastet werde, Stichwort Chlorhühnchen. Und auch wenn der grundsätzliche Zehn-Prozent-Zoll auf die meisten Waren aus Großbritannien bleibt, sprach Starmer am Donnerstagabend von einem „fantastischen, historischen Tag“.

Der Deal ist der vorläufige Höhepunkt einer besonderen Behandlung, die Trump den Briten zuteilwerden ließ. Geholfen hat ihnen dabei, dass sich das Vereinigte Königreich nach einer schmerzhaften Deindustrialisierung zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickelt hat und heute gar nicht mehr so arg viele Waren zu exportieren hat. So betrug das Handelsvolumen mit den USA vergangenen Jahr umgerechnet rund 370 Milliarden Euro. Bei mehr als zwei Drittel der britischen Exporte handelte es sich aber um Dienstleistungen, die von Zöllen nicht betroffen sind.

Die Handelsbilanz mit den USA ist, was Waren betrifft, in etwa ausgeglichen. Laut dem Office for National Statistics exportierten die Briten vergangenes Jahr Produkte im Wert von 59 Milliarden Pfund in die USA und importierten von dort Waren im Wert von 57 Milliarden Pfund. Damit zählen sie nicht zu den Hauptzielen der USA, die mit ihrer jüngsten Wirtschaftspolitik vor allem Länder und Regionen adressieren, mit denen sie ein Handelsdefizit haben. Zu denen gehört etwa die EU. Und da kommt den Briten ausnahmsweise mal der Brexit zupass – sie müssen nicht mehr mitmachen bei der Zoll-Revanche der EU. Trump freut’s. Und dass er in die Royals vernarrt ist, gilt als zusätzlich förderlich für die Beziehungspflege in dieser special relationship der beiden Länder.

Welche konkreten Folgen das Abkommen für Starmers innenpolitisches Profil und für das wirtschaftliche Verhältnis der Briten und der EU haben wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass der Deal schon der zweite innerhalb weniger Tage ist, den der Premierminister verkünden kann. Ein verbindlicheres Abkommen mit Indien wird es britischen Unternehmen erleichtern, etwa Whiskey und auch Autos in das südasiatische Land zu exportieren. Im Gegenzug wurden Einfuhrsteuern auf indische Bekleidung und Schuhe gesenkt. Auch soll es finanzielle Erleichterungen für Mitarbeiter indischer und britischer Unternehmen geben, die vorübergehend in das jeweils andere Land versetzt werden. Premierminister Keir Starmer sagte am Dienstag, das Abkommen werde die Wirtschaft ankurbeln, sein indischer Kollege, Narendra Modi, bezeichnete es als historischen Meilenstein.

Zwei Handelsvereinbarungen, die Bank of England senkt den Leitzins um einen Viertelpunkt auf 4,25 Prozent, nebenbei die pompösen Feierlichkeiten zu 80 Jahren Kriegende am Donnerstag – das klingt nach einer schillernden Woche für den nicht immer glücklichen Politiker Starmer. Nur dass Arsenal London am Mittwoch in der Champions League ausgeschieden ist, dürfte den Fußballfan Starmer zumindest innerlich schimpfen lassen. Wenn auch nur in Kleinbuchstaben.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Wero, Girocard, DeepL
:Von Bankkarte bis Bücherkauf: Das sind die besten EU-Alternativen zu US-Diensten

Paypal, Whatsapp oder Google: Im Alltag greifen viele Menschen auf Angebote von großen Techkonzernen aus den USA zurück. Aber es gibt europäische Alternativen.

SZ PlusVon Simon Berlin, Nils Heck und Meike Schreiber

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: