Firmenübernahme:Osram wird österreichisch

Osram Licht AG Headquarters As U.S. Buyout Funds Offer Competing Bids

Osram (hier die Münchner Zentrale) wurde mit Glühbirnen erfolgreich und konzentrierte sich zuletzt auf Hightech-Produkte.

(Foto: Michaela Handrek-Rehle/Bloomberg)
  • Der österreichische Chip-Hersteller AMS erreicht nach eigenen Angaben sein selbstgesetztes Ziel und sichert sich 55 Prozent der Aktien des Lichtkonzerns Osram.
  • Hedgefonds hatten sich zuletzt im großen Stil bei Osram eingekauft, um vom weiteren Bieterkampf zu profitieren.
  • AMS interessiert sich vor allem für die Sensor- und Lichtlösungen, die die Münchner für die Auto- und IT-Industrie produzieren.
  • Die Österreicher garantieren, dass es bis Ende 2022 bei Osram keine fusionsbedingten Kündigungen geben wird.

Von Thomas Fromm

Am Ende wurde aus einem sehr komplizierten Übernahmekampf auch noch ein nervenzerreibender Finanzkrimi um eine der großen deutschen Industrieikonen: Würde es der österreichische Chip- und Sensorik-Hersteller AMS noch auf den letzten Metern schaffen, den weitaus größeren Lichtkonzern Osram zu übernehmen und bis Donnerstagnacht 55 Prozent seiner Aktien bekommen? Noch kurz vor Schluss fehlten größere Aktienpakete, einige Teilnehmer sprachen von einer "50 - 50-Chance". Andere gingen davon aus, dass das Ergebnis erst Anfang nächster Woche feststehen dürfte. Dann, wenn man alles durchgezählt und am Ende festgestellt habe, dass die 4,6 Milliarden Euro schwere Übernahme an der Mindestannahmeschwelle von 55 Prozent gescheitert ist.

Doch es kam ganz anders. Am Freitag kurz nach 17.30 Uhr dann das grande finale: AMS teilte mit, dass man das Ziel der Annahmeschwelle erreicht hat. Da hatten laut Auszählung 55 Prozent der Aktien die Seite gewechselt. "Es war sicherlich kein einfacher Weg", teilte AMS-Chef Alexander Everke mit. "Aber schlussendlich konnten wir die notwendige Mehrheit der Osram-Aktionäre von unserem attraktiven Angebot und der strategischen Logik überzeugen."

Am Ende dürften sich viele Aktionäre allerdings herzlich wenig für die strategische Logik der Aktion interessiert haben. Vielen Aktionären ging es wohl in erster Linie darum, kein Geld zu verlieren.

Erst vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass sich in großem Stil Hedgefonds bei Osram eingekauft hatten, um vom weiteren Bieterkampf zu profitieren. Großinvestoren wie die Allianz hatten ihre Osram-Anteile an die Hedgefonds verkauft, und diese griffen dankbar zu. Sie spekulierten darauf, ihre Anteile nach einer erfolgreichen Übernahme für weitaus mehr als die derzeit angebotenen 41 Euro pro Aktie an AMS weiterverkaufen zu können. Denn AMS braucht, um einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abschließen oder Osram komplett übernehmen zu können, nicht nur 55, sondern mindestens 75 Prozent der Aktien.

Das Risiko dabei aber wäre gewesen: Hätten die Hedgefonds bis zum Äußersten spekuliert und mit dem Verkauf der Aktien gewartet, wäre die Übernahme wohl an der 55-Prozent-Schwelle gescheitert. Der Aktienkurs von Osram wäre dann vermutlich eingebrochen, dies wiederum hätte die neuen Investoren einen Teil ihres Einsatzes gekostet. Ein Spiel mit vielen Unbekannten, dafür umso mehr Psychologie. Oder, wie es ein Hedgefonds-Manager in diesen Tagen formulierte: Ein "Spiel mit dem Feuer". Zuletzt hatte das AMS-Management mit den Hedgefonds in New York und London zusammengesessen - diplomatische Runden, kurz vor Schluss.

Am Ende hatten nun genug Hedgefonds verkauft, damit die Übernahme zustande kommt. Wie viele, ist noch nicht klar. Es ist allerdings davon auszugehen, dass einige ihre Anteile zurückgehalten haben und demnächst in die Preisverhandlungen gehen werden. Es werde wohl auch diejenigen geben, die "sich noch die Hände reiben", vermutet ein Insider.

Ein über 110 Jahre altes Traditionsunternehmen wird nun de facto österreichisch - und jetzt? "Nun gilt es, gemeinsam mit AMS einen Photonik- und Sensorik-Champion von Weltrang auf den Weg zu bringen", sagte Osram-Chef Olaf Berlien am Freitag. Beide Unternehmen, sagen Experten, passen im Grunde gut zusammen. Dafür spricht, dass sich auch Osram schon einmal selbst für AMS interessiert hatte. AMS interessiert sich vor allem für die Sensor- und Lichtlösungen, die die Münchner für die Auto- und IT-Industrie produzieren. Mit Hilfe der Produkte von Osram wollen sich die Österreicher unabhängiger von ihrem Großkunden Apple machen, der zurzeit noch einen großen Teil ihres Umsatzes ausmacht. Dazu kommen aber auch Milliarden-Schulden, die bei AMS durch die Übernahme von Osram angehäuft werden. Helfen soll eine Kapitalerhöhung, also die Ausgabe neuer Aktien im Wert von 1,6 Milliarden Euro, die bei einer Hauptversammlung im Januar beschlossen werden soll.

So oder so: Die Arbeitnehmervertreter in München sind wegen der hohen Verschuldung des neuen Eigentümers alarmiert. Je höher die Schulden, desto höher könnte am Ende die Bereitschaft sein, Osram in einzelne Teile zu zerschlagen und Geschäftsbereiche wie das Digitalgeschäft komplett abzustoßen. Die Leidtragenden des monatelangen Finanzmanövers wären dann die über 24 000 Osram-Mitarbeiter. Es kommt erschwerend hinzu, dass Osram selbst derzeit alles andere als ein erfolgreiches Unternehmen ist. Auto- und Elektronikindustrie stecken im Abschwung, das schlägt sich auch in den Bilanzen der Münchner nieder: Im vergangenen Geschäftsjahr machte Osram einen Verlust von 343 Millionen Euro. Milliardenschulden aus der Steiermark, rote Zahlen in München - es sind vielleicht nicht die idealen Voraussetzungen, um ein solches Projekt zu starten. Die IG Metall wird sich daher genau anschauen, wie es in den kommenden Monaten weitergeht.

Die Arbeitnehmervertreter hatten sich von Anfang gegen eine Übernahme durch AMS gestemmt. Die Österreicher garantieren, dass es bis Ende 2022 bei Osram keine fusionsbedingten Kündigungen geben wird. Außerdem sollen die deutschen Standorte gestärkt werden. "Gemeinsam und im Dialog mit den Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern werden der Osram- und AMS-Vorstand nun einen tragfähigen Integrationsfahrplan auf Augenhöhe vorbereiten", heißt es in der Osram-Mitteilung. Nach der Übernahmeschlacht am Aktienmarkt kommt nun die Zeit der konkreten Pläne. Und die wird alles andere als einfach.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungGeldanlage
:Wie junge Menschen vorsorgen können

Mit Geldanlage sollten sich junge Leute mehr beschäftigen. So schwer ist das gar nicht. Am besten geht das nicht etwa mit viel Nervenkitzel, sondern auf die spießige Tour.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: