Süddeutsche Zeitung

Zinsskandal bei Barclays:Spur in die Downing Street

"Ich habe mir nichts vorzuwerfen": Bei seiner Anhörung bestreitet Banker Paul Tucker die Vorwürfe, dass Barclays mit der damaligen Labour-Regierung gekungelt habe. Doch aufgetauchte Dokumente deuten darauf hin, dass die Partei in die Affäre verwickelt sein könnte.

Andreas Oldag

Großbritannien streitet weiter um die Hintergründe der Zinsmanipulationen bei der Großbank Barclays. Vor einem Parlamentsausschuss bestritt der stellvertretende Chef der britischen Notenbank Bank of England (BoE), Paul Tucker, die illegalen Machenschaften gebilligt zu gaben. "Ich habe mir nichts vorzuwerfen", erklärte der Banker. Der 54-Jährige räumte allerdings ein, dass es in der kritischen Phase im Herbst 2008 um das Überleben von Barclays gegangen sei. "Es waren außerordentliche Zeiten. Wir hatten damals einen Gesprächstermin nach dem anderen", so Tucker. Er bestritt vehement Vorwürfe, dass die Notenbank mit der damaligen Labour- Regierung gekungelt habe.

Die Abgeordneten wollen Licht ins Dunkel des Manipulationsskandals bringen, bei dem es um den Interbankenzins Libor geht. Barclays hatte als erstes Geldhaus in den weltweiten Untersuchungen ein Fehlverhalten eingeräumt und wurde zu einer Strafzahlung von 290 Millionen Pfund (360 Millionen Euro) verdonnert.

E-Mails belasten die Notenbank

In der vergangenen Woche war ein brisante Gesprächsnotiz des zurückgetreten Barclays-Chef Bob Diamond aufgetaucht, der zufolge Tucker das Kreditinstitut sogar zur Übermittlung eines niedrigeren Zinses ermuntert habe. Barclays konnte dadurch seine finanzielle Lage als besser darstellen als sie tatsächlich war. Indes erklärte Tucker in der Anhörung, die Gesprächsnotiz würde einen falschen Eindruck vermitteln.

In der Zinsaffäre sind allerdings am Montag neue E-Mails aufgetaucht, die die Notenbank dennoch belasten könnten. Demnach hat Tucker im Oktober 2008 mehrmals den damaligen Chef-Investmentbanker und späteren Vorstandschef Bob Diamond kontaktiert. In einem Fall monierte Tucker offen den hohen Preis eines von Barclays begebenen Bonds.

Welche Rolle spielt Gordon Brown?

Auch ein vertraulicher Hinweis der Schweizer Bank UBS aus dem Jahre 2008 sorgt für Zündstoff. Darin sind nach Angaben britischer Medien Ratschläge enthalten, wie der Referenzzinssatz Libor gesenkt werden kann - damit sich Kreditinstitute wieder untereinander Geld leihen.

Das UBS-Dokument enthält zwar keinen Beweis, dass die Regierung des damaligen Labour-Premierministers Gordon Brown in die Affäre verwickelt war. Es deutet aber darauf hin, dass die Regierung ein Interesse hatte, den Libor-Satz zu senken und die Kreditvergabe zwischen den Banken wieder in Gang zu bringen.

Im Herbst 2008 mussten die Großbanken Royal Bank of Scotland (RBS) sowie Lloyds Banking Group mit Milliarden aus dem Staatshaushalt gerettet werden. Barclays überstand die Krise indes ohne direkte Hilfen. Auch gegen UBS laufen im Zinsskandal Ermittlungen der Aufsicht.

"Das sind böswillige Unterstellungen"

Der konservative Schatzkanzler George Osborne hatte bereits in der vergangenen Woche im Unterhaus die frühere Labour-Regierung heftig angegriffen, weil sie angeblich die illegalen Machenschaften um den Interbankzins Libor gedeckt oder sogar angestiftet habe. Labour-Chef Ed Miliband wies die Vorwürfe zurück. "Das sind böswillige Unterstellungen", erklärte Miliband. Gleichzeitig forderte der Oppositionschef den Aufbau einer staatlichen Bank nach dem Vorbild der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), um dadurch vor allem mittelständische Unternehmen zu unterstützen. Miliband: "Die Vorherrschaft der großen Bankkonzerne muss gebrochen werden."

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SZ vom 10.07.2012/soli
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