Süddeutsche Zeitung

Zinspolitik:Geschenke für den Hauskredit

Die KfW und weitere Förderbanken bereiten sich darauf vor, negativ verzinste Darlehen zu vergeben. Nur macht die Technik in den Banken da noch nicht mit. Das soll sich ändern.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Gute drei Jahre sind vergangen, seitdem bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau das einst Undenkbare eintrat. Zum ersten Mal lieh sich die deutsche Staatsbank damals Geld am Kapitalmarkt und wurde dafür noch beschenkt: Anleihen der KfW gelten als so sicher, dass Investoren mittlerweile rechnerisch negative Renditen in Kauf nehmen, ganz ähnlich wie im Fall von deutschen Staatsanleihen. In der Nullzinsära gehört die Bank damit eindeutig ins Lager der Profiteure.

Weil die KfW aber keine normale Bank ist, kann sich ihr Chef Günther Bräunig nicht ganz unbeschwert darüber freuen. Denn als staatliche Förderbank ist die KfW gerade darauf bedacht, ihre besonders günstige Refinanzierung über Zuschüsse und Kredite an die Kunden weiterzugeben. Deshalb lohnen sich die Förderkredite der KfW auch so sehr: Die Hausbank leitet das von der KfW zugesagte Geld mit einem kleinen Aufschlag an den Endkunden weiter, etwa an einen Hausbauer oder an eine mittelständische Firma. Negative Zinsen kann dabei aber noch niemand abbilden, denn die IT-Systeme der KfW und der angeschlossenen Geldinstitute machen das nicht mit. Ein Minuszeichen vor dem Zinssatz eines Kreditvertrags ist in den Programmen schlicht nicht vorgesehen.

Wer Geld verleiht, wird belohnt: Das war einmal sicher, gilt aber heute nicht mehr

Auf Initiative der KfW und anderer deutscher Förderbanken soll sich das jetzt ändern - auch wenn es der ursprünglich angedachten Funktionsweise des Finanzsystems widerspricht: Belohnt wird, wer Geld verleiht, und nicht umgekehrt. "Wir haben alle mal gelernt, dass der Zinssatz positiv sein muss", sagt Bräunig, und so hat man das auch der Software in den Banken beigebracht. Nach einer langen Zeit der ultralockeren Geldpolitik und angesichts der großen Menge an negativ verzinsten Anleihen gilt diese alte Gewissheit aber nicht mehr. "Wir sind jetzt in einer Situation angekommen, in der wir die technischen Voraussetzungen schaffen müssen, um negative Zinsen weiterreichen zu können", so Bräunig.

Mit der Entscheidung der US-Notenbank Fed von Anfang des Jahres, die Leitzinsen nicht weiter zu erhöhen, schwand in den Banken die Hoffnung auf eine Zinswende. Die EZB wird ihre Geldpolitik ohnehin auf längere Sicht nicht straffen. Und die bestimmenden makroökonomischen Faktoren deuten keinesfalls eine Umkehr des Trends sinkender Zinsen an. In der öffentlichen Diskussion stehen dabei zumeist die Sparer im Fokus, als Leidtragende. "Wir betrachten jetzt die andere Seite dieser Negativzinsen: Die sind für den Kreditnehmer positiv", betont Bräunig.

Bis die Banken negativ verzinste Kredite technisch abbilden können, dürfte noch etwa ein Jahr vergehen, schätzt Bräunig. Noch gab es zwar keinen Fall, in dem ein Unternehmer oder ein Hausbauer einen Kredit mit negativen Sollzinsen hätte bekommen können. Aber noch im vergangenen Sommer lief bei der KfW alles auf eine solche Konstellation zu. Die Landwirtschaftliche Rentenbank - auch ein Förderinstitut - hatte schon vor gut zwei Jahren einen de facto Negativzins eingeführt, indem sie Kreditnehmern einen Zuschuss gewährte. Für die Übergangszeit will sich auch die KfW mit Tilgungszuschüssen behelfen, um ihre Refinanzierungskosten an die Endkunden weiterzugeben.

Im Fall des Hausbauers sähe das schematisch dann so aus: Die Bank bekommt von der KfW das Geld zu einem Zinssatz von null, weil es darunter noch nicht geht. Sie darf in dem Programm für energieeffizientes Bauen und Wohnen maximal 0,75 Prozent Kreditmarge berechnen, wenn sie das Geld an einen Kunden weiterreicht. Der tatsächliche Zins für einen kreditwürdigen Kunden aber liegt im Einzelfall niedriger, weil die KfW noch einen Zuschuss zahlt. Über den Zinssatz, so heißt es von der Bank, ließe sich das viel präziser und effizienter steuern. Man müsste dann nicht ständig die Höhe der Zuschüsse neu berechnen. "Deshalb setzten wir das jetzt quer über alle Programme um", kündigt Bräunig an. Profitieren werden neben Privatleuten vor allem Mittelständler.

Letztere will die Bank mit neuen Förderprogrammen zu mehr klimafreundlichen Investitionen animieren. Bräunig spricht von einer "Klimaschutzoffensive für den Mittelstand". Unternehmen mit bis zu 500 Millionen Euro Jahresumsatz sollen vergünstigte Kredite erhalten für Investitionen, die entweder CO₂-neutral sind oder den Ausstoß von Treibhausgasen senken. Hintergrund sind die Beschlüsse des Klimakabinetts, wonach die Bundesregierung Fördermaßnahmen für Energie- und Ressourceneffizienz in der Industrie ausbauen will. Entsprechende Programme arbeitet die KfW noch aus. So dürften die Negativzinsen am Ende dem Klimaschutz dienen. Welchen Anreiz aber Geschäftsbanken haben sollen, in großem Stil Kredite zu vergeben, für die sie am Ende draufzahlen müssen, ist noch unklar.

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SZ vom 14.11.2019
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