Zinsentscheidung der EZB:Geld darf es nicht kostenlos geben

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Die EZB hat im Sommer 2007 zum ersten Mal Banken Geld gegeben, um die beginnende globale Finanzkrise zu bekämpfen. Das war der Startschuss für eine Geldschwemme, die historisch ohne Beispiel ist.

(Foto: imago/allOver)

Von der Politik der Europäischen Zentralbank haben viele profitiert. Aber jetzt wird der Kurs von Mario Draghi endgültig zu gefährlich.

Kommentar von Markus Zydra, Frankfurt

Man kann sich über die Geldpolitik von Mario Draghi echauffieren, man sollte dann aber anerkennen, dass auch Deutschland von den Maßnahmen der Notenbank profitiert hat. Die Nullzinspolitik des EZB-Präsidenten ermöglichte es vielen Bürgern, ein günstiges Hausdarlehen aufzunehmen. Durch den Ankauf von Staatsanleihen senkte die EZB die Kreditzinsen für die Euro-Staaten, nur dadurch schaffte die Bundesregierung im Haushalt die schwarze Null. Die lockere Geldpolitik unterstützte die wirtschaftliche Erholung. Ehemals arbeitslose Menschen haben wieder Jobs und Einkommen. Draghi fordert jetzt sogar höhere Löhne. Die Gewerkschaften erhalten in den Tarifverhandlungen Rückendeckung von unerwarteter Seite.

Soweit die guten Nachrichten, jetzt der Rückblick auf die vergangene Dekade: Die EZB hat im Sommer 2007 zum ersten Mal Banken Geld gegeben, um die beginnende globale Finanzkrise zu bekämpfen. Das war der Startschuss für eine Geldschwemme, die historisch ohne Beispiel ist. Jetzt plant die Notenbank etwas, was sie seit Jahren nicht gewagt hat. Der EZB-Rat dürfte am Donnerstag beschließen, die Rotation der Notenpresse zu drosseln.

Ist das endlich der Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik? Man würde es sich wünschen, denn das billige Geld hat viele negative Konsequenzen. Doch Draghi scheut den Schlussstrich. Die Leitzinsen rührt er am Donnerstag bestimmt nicht an. Sie dürften noch bis mindestens 2019 bei null Prozent bleiben. Es erwartet auch niemand ein baldiges Ende des Anleihenkaufprogramms, das sich schon jetzt auf mehr als zwei Billionen Euro beläuft. Die EZB wird es 2018 fortsetzen - wenn auch mit weniger Dampf. Die Notenbank reduziert die monatlichen Ankäufe von derzeit 60 auf dann wohl 30 Milliarden Euro.

Das ist kein Ausstieg. Die Geldpolitik in der Euro-Zone bleibt so locker wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Selbst in der schlimmsten Phase der Finanz- und Euro-Staatsschuldenkrise hatte die EZB den Motor nicht so hochgedreht.

Das billige Geld schürt an den Börsen eine gefährliche Preisblase

Die EZB hat Angst vor der eigenen Courage. Sie traut es den finanzschwachen Euro-Staaten nicht zu, mit steigenden Zinsen fertigzuwerden. Sie möchte den Kokon für die Währungsunion erhalten, bis die EU-Staats- und Regierungschefs wichtige Entscheidungen zur Stärkung der Euro-Zone treffen: zum Aufbau eines Europäischen Währungsfonds etwa, der die EZB als Retter in der Not ablösen soll.

Das Zögern ist gefährlich. Das billige Geld schürt an den Börsen eine Preisblase. Die Aktienmärkte in Deutschland und den USA haben Höchststände erreicht. Die globale Verschuldung ist höher als vor der Finanzkrise. Die EZB hat die Rolle des Gönners, der alle Getränke auf seinen Bierdeckel nimmt. So einer ist beliebt bei allen, die Geld brauchen. Leben auf Pump kann so schön sein, besonders wenn eine Notenbank mit schier unbegrenzten Mitteln die Garantie dafür übernimmt. Die Finanzmärkte haben sich daran gewöhnt.

Den Spekulanten plötzlich den Geldhahn abzudrehen, könnte zu massiven Turbulenzen an den Börsen führen. Die USA haben das 2013 erlebt, und das kann auch nicht überraschen. Es ist schwer, auf etwas zu verzichten, von dem man glaubt, dass man es unbedingt braucht.

Die EZB hatte Mut - und braucht ihn jetzt erneut

Doch je länger das billige Geld fließt, desto schlimmer werden die Exzesse an den Börsen. Die niedrigen Leitzinsen führen dazu, dass Geld in langfristig unrentable Projekte fließt, ganz davon abgesehen, dass ein Leitzins von null Prozent alles auf den Kopf stellt, was man über Marktwirtschaft weiß.

Geld darf es nicht umsonst geben. Der europäische Bankensektor leidet unter der Nullzinspolitik, die Erträge sinken. Darüber hinaus beraubt sich die EZB ihrer Handlungsspielräume. Was soll die Notenbank tun, wenn die nächste Wirtschafts- und Finanzkrise kommt? Sie hätte praktisch keine Manövrierfähigkeit mehr, wenn der Leitzins an der Nulllinie klebt und Wertpapiere in Billionenhöhe erworben wurden.

Die EZB war in den letzten Jahren ein experimentierfreudiger Krisenmanager. Sie hat verschiedene Arten von Anleihenkaufprogrammen entwickelt und für Banken bei der Beleihung von Sicherheiten die Regeln gelockert. Banken müssen sogar einen Strafzins bezahlen für Geld, das sie über Nacht auf dem Notenbank-Konto parken.

All das gab es noch nie. Man kann darüber streiten, ob diese Maßnahmen immer richtig waren. Doch die EZB hat in der Finanzkrise den Mut gehabt, Verantwortung zu übernehmen und dadurch die Euro-Zone zu sichern. Diesen Mut würde man sich jetzt auch beim Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik wünschen. Draghi ist da viel zu zaghaft. Das muss schneller gehen.

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