Zinsen:Zuckerl von der Bank

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Hat doch was, der Niedrigzins: Landwirte bekommen einen Zuschuss, wenn sie einen Kredit aufnehmen - aber abzahlen müssen sie ihn schon noch.

Von Harald Freiberger, Frankfurt

Ein großer Erdbeerbauer aus Nordrhein-Westfalen ist einer der ersten Kreditnehmer in Deutschland, der von seiner Bank dafür Geld bekommt, dass er sich Geld leiht. Er schloss vor wenigen Tagen bei seiner Hausbank einen Kredit über 2,7 Millionen Euro ab. Mit dem Geld will er eine Tunnelanlage finanzieren, in der sich Erdbeeren günstiger anbauen lassen.

Der Bauer bekam aber nicht nur die 2,7 Millionen Euro ausgezahlt, sondern 2,727 Millionen. 27 000 Euro gab es obendrauf als eine Art Zuckerl von der Bank. Es handelt sich um den Zuschuss der Landwirtschaftlichen Rentenbank, einer Förderbank für Landwirte. Sie gibt die Förderkredite an die Hausbanken der Bauern, zum Beispiel Sparkassen und Volksbanken. Diese reichen sie an ihre Kunden weiter. Und seit Anfang April gibt sie auf viele der Förderkredite einen Zuschuss von einem Prozent. Die Rentenbank ist damit das erste Institut in Deutschland, das den Negativzins an Kreditkunden weiterleitet.

Normalerweise ist es bei Banken ja seit Jahrhunderten umgekehrt: Sie zahlen Sparern Zinsen, wenn diese Geld bei ihnen vorbeibringen, und sie nehmen Zinsen von Kunden, die sich welches ausleihen. Die verrückte Welt des Negativzinses, verursacht durch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), führt nun zu einer Umkehrung aller Werte. Seit zwei Jahren verlangt die EZB von Banken einen Negativzins, wenn diese kurzfristig bei ihr Geld anlegen. Die Banken geben dies schon länger vor allem an Großkunden wie Unternehmen weiter. Sie müssen in der Regel 0,4 Prozent Zinsen berappen, wenn sie Geld bei der Bank langfristig anlegen.

Neu ist, dass umgekehrt nun Kreditnehmer vom Negativzins profitieren. Vor drei Wochen führte die Rentenbank ihren Förderzuschuss ein. Damit ist das Institut, das bisher nur Fachleute kannten, in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Vorstandssprecher Horst Reinhardt muss seitdem viel erklären. Am Mittwoch präsentierte er die Bilanz für 2016. Er nutzte die Gelegenheit, um "Missverständnissen vorzubeugen". Teilweise sei es nämlich so herübergekommen, als würde seine Bank auf Kredite grundsätzlich und ohne Bedingungen etwas drauflegen. Für Kreditnehmer wäre das ein paradiesischer Zustand. Sie würden dann umso mehr Geld einnehmen, je höher der Kredit ist, den sie aufnehmen.

Doch so einfach ist es nicht. Unterm Strich bekommt bei der Rentenbank niemand Geld heraus. Er muss für einen Kredit schon noch zahlen.

Der Erdbeerbauer aus Nordrhein-Westfalen zahlt nämlich einen Zins von einem Prozent für seinen Kredit. Das ist die Zinsmarge, den die Hausbank auf den Förderkredit der Rentenbank draufschlägt. Die Rentenbank hat ihr Geld zu null Prozent zur Verfügung gestellt, dazu den Förderzuschuss von einem Prozent, den die Hausbank an den Kunden auszahlt.

"Wir reichen mit dem Zuschuss unsere günstigen Finanzierungskonditionen weiter", sagt Rentenbank-Chef Reinhardt. Für manche Anleihen, die er ausgibt, muss er keine Zinsen zahlen, er bekommt von den Geldgebern welche dafür. Das Phänomen ist auch von Bundesanleihen bekannt. Kein Wunder, da der Bund für die Rentenbank garantiert.

Der Förderzuschuss des Erdbeerbauern aber wird mit der Zeit vom Zins aufgefressen. Jedes Vierteljahr zahlt er, zusätzlich zur Tilgung, 0,25 Prozent des Kreditbetrags an Zinsen. Das heißt, dass die Zinsen nach einem Jahr den Zuschuss von 27 000 Euro übersteigen. Danach rutscht die Bilanz ins Minus. Und die Laufzeit des Kredits beträgt acht Jahre. Es ist also nicht so, dass der Bauer zum Kredit etwas dazu bekommt. "Wir zahlen nichts drauf, diese Formulierung ist irreführend", sagt Reinhardt. Wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein.

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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