Zinsen:So will die Fed die Märkte sanft vom billigen Geld entwöhnen

Janet Yellen, Martin Heinrich, Amy Klobucher, Carolyn Maloney, Patrick Tiberi, David Schweikert, Bill Cassidy

Notenbankchefin Janet Yellen, auf dem Foto von hinten zu sehen, spricht neuerdings viel von "Erwartungen".

(Foto: Jacquelyn Martin/AP)
  • Die US-Notenbank Fed steht wohl vor dem Ende der Nullzinspolitik.
  • Die EZB zögert noch mit einer Zinserhöhung. Das dürfte den Euro im Vergleich zum Dollar weiter schwächen.

Analyse von Claus Hulverscheidt, New York

An diesem Mittwoch wird die US-Notenbank Fed wohl einen Entschluss fassen, der die wirtschaftspolitischen Geschicke der Welt auf Jahre hinaus prägen wird: Der Leitzins soll steigen, es wäre der erste Zinsschritt seit dem 16. Dezember 2008, also auf den Tag genau seit sieben Jahren. Und es wäre das Ende jener so umstrittenen Nullzinspolitik, die die Fed zur Bewältigung der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit ersonnen hatte. Nie zuvor war ein bedeutender Leitzins über so lange Zeit und auf so niedrigem Niveau eingefroren.

Doch der Zinsentscheid selbst ist wohl noch die leichteste Übung. Dass die Notenbank ihre Zielspanne von derzeit null bis 0,25 Prozent um einen viertel Punkt nach oben hievt und die neue Obergrenze bei 0,5 Prozent festlegt, wird an den Finanzmärkten schon seit Monaten erwartet. Viel wichtiger ist deshalb aus ihrer Sicht die Frage, was für die Monate und Jahre danach zu erwarten ist. Welcher Zeitraum und wie viele Schritte schweben der Fed vor, um die Zinsen auf ein Niveau zurückzubringen, das vor Ausbruch der Krise einmal als "normal" galt? Und gelingt die Operation, ohne die Inflation anzuheizen, die Konjunktur abzuwürgen oder Chaos auf den Finanzmärkten anzurichten? "Es sind diese Erwartungen", erklärte Notenbankchefin Janet Yellen erst jüngst, "die sich auf die Finanzierungsbedingungen auswirken und damit auch Einfluss auf Ausgaben- und Investitionsentscheidungen haben werden."

Das Ziel: ein "normales" Zinsniveau von 3,5 Prozent

Wohin die Reise der Fed grundsätzlich geht, ergibt sich aus Unterlagen, die sie im September veröffentlichte. Demnach plädieren die Ausschussmitglieder im Schnitt dafür, dass die obere Grenze der Zielspanne im Laufe des Jahres 2016 etwa 1,4 Prozent erreichen und dann bis 2018 schrittweise auf 3,4 Prozent ansteigen wird. Als mittelfristig "normal" erachten die Geldpolitiker ein Zinsniveau von 3,5 Prozent: Damit hätten sie den notwendigen Raum zurückerobert, um bei einer Eintrübung der Konjunktur oder einem Anstieg der Inflation mit Zinssenkungen beziehungsweise -erhöhungen gegensteuern zu können.

In den letzten Jahren war der Handlungsspielraum der Fed wegen des ultra-niedrigen Leitsatzes stark eingeschränkt. Um die Wirtschaft anzuheizen und eine Deflation, einen allgemeinen Verfall der Preise also, zu verhindern, hatte die Fed - und mit ihr die Europäische Zentralbank (EZB) - zu Notmaßnahmen gegriffen, etwa dem sogenannten "Quantitative Easing". Bei dieser Form der geldpolitischen Lockerung kauft die Notenbank der privaten Kreditwirtschaft für Hunderte Milliarden Dollar oder Euro festverzinsliche Wertpapiere ab. Das drückt die Kreditzinsen, auf Umwegen auch für Häuslebauer, Autokäufer und Unternehmen. Die Konjunktur wird stimuliert, die Arbeitslosenquote sinkt - in den USA mittlerweile auf fünf Prozent.

Schnelle und große Schritte können Turbulenzen an den Märkten verursachen

Damit ist für die Fed jedoch der Punkt erreicht, an dem das Wachstum über kurz oder lang zu kräftig steigenden Löhnen und Preisen führt. Um solche Inflationsgefahren abzuwenden, müssen die Leitzinsen steigen. Darüber ist man sich innerhalb der Notenbank auch einig - nicht jedoch in der Frage, wann diese Normalisierung eingeleitet werden sollte und wie ein Erwartungsmanagement aussehen muss, das Kollateralschäden verhindert.

Die Ausschussmitglieder Lael Brainard und Charles Evans etwa halten einen Zinsschritt noch 2015 angesichts des mäßigen Wirtschaftswachstums und der niedrigen Inflationsrate für verfrüht. Vor allem aber verlangen sie von ihren Kollegen eine klare öffentliche Festlegung darauf, dass die sich anschließenden Zinserhöhungen über einen längeren Zeitraum gestreckt und in kleinen Schritten erfolgen werden. Rein inhaltlich hätten Yellen und die Ausschussmehrheit mit einer solchen Festlegung gar kein Problem. Sie warnen aber davor, sich durch strikte Zusagen auf Jahre selbst zu fesseln und sich der Flexibilität zu berauben, auf nicht absehbare Geschehnisse entschlossen reagieren zu können. Denn die Gefahren, die mit der Zinswende einhergehen, sind ebenso gewaltig wie vielfältig.

Wird der Dollar deutlich teurer?

Dazu gehört etwa, dass die Fed und die weiter auf Lockerung gepolte EZB für mindestens ein, zwei Jahre in entgegengesetzte Richtungen marschieren werden. Dadurch werden Kapitalanlagen in Dollar im Vergleich zu solchen in Euro immer attraktiver. Die Folge könnte ein dramatischer Kursanstieg der US-Währung sein - mit gravierenden Folgen für die amerikanische Exportwirtschaft. "Der Euro sollte die Ein-Dollar-Marke möglichst verteidigen, sonst könnte es sein, dass es für ihn kein Halten gibt", sagt David Bianco, US-Aktienanalyst bei der Deutschen Bank in New York. Derzeit ist die europäische Gemeinschaftswährung noch 1,10 Dollar wert.

Darüber hinaus ist schon jetzt zu beobachten, dass Investoren ihr Geld aus Asien und Lateinamerika abziehen und es in den USA anlegen - ein Aderlass, der die betroffenen Staaten in große Probleme stürzt. Hinzu kommt ein weiteres Schwellenländer-Phänomen, das derzeit noch kaum Beachtung findet und das Biancos Deutsche-Bank-Kollege Torsten Sløk analog zum "Quantitative Easing" als "Quantitative Tightening" bezeichnet: Seit Monaten verkaufen die Notenbanken etwa Chinas und Brasiliens in großem Stil US-Staatsanleihen. Das drückt die Kurse und treibt die Zinsen. Kombiniert mit den geplanten Anhebungen der Fed-Zielspanne könnten die Kurzfristzinsen am Ende sehr viel rascher steigen als eigentlich gewünscht.

Trotz solcher Bedenken wird Yellen die Wende bald einleiten - auch um Kritiker, etwa in Deutschland, zu widerlegen, die stets gewarnt hatten: Wer die Schmerzen der Krise mit Billiggeld-Morphium bekämpft, wird ein Heer von Süchtigen heranziehen, das er nie wieder los wird. Yellen will und muss nun den Beweis antreten, dass ein sanfter Entzug möglich ist.

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