Zinsen:Doppelt gut

Bankkunden wollen beides - ein Topangebot beim Tagesgeld und niedrige Dispozinsen. Doch ein langfristiger Vergleich zeigt: Viele Institute können das nicht bieten.

Von Thomas Öchsner

Der Dispokredit und das Tagesgeldkonto gehören zu den beliebtesten Annehmlichkeiten beim Umgang mit Geld. Stets flüssig zu bleiben und über ein Sparkonto zu verfügen, auf dessen Guthaben man täglich umkompliziert zugreifen kann - das schätzen viele Bankkunden. Oft bieten Geldinstitute jedoch nur bei einem der beiden Produkte überdurchschnittliche gute Konditionen. Viele Verbraucher fragen sich deshalb: Gibt es eine Bank oder Sparkasse, die mir sowohl beim Dispo als auch beim Tagesgeld ein Top-Angebot unterbreiten kann?

Der Düsseldorfer Finanzexperte Udo Keßler, der früher bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen tätig war, wollte es genau wissen. Keßler hat die beiden wichtigsten Zinssätze für private Bankkunden bei sechs überregionalen Kreditinstituten, acht Direktbanken und je acht Sparkassen und Genossenschaftsbanken analysiert. Erste wichtigste Erkenntnis dabei: "Es gibt sie sehr wohl, die Kreditinstitute, die ihren Kunden faire Konditionen sowohl beim Tagesgeld als auch beim Dispokredit geben", sagt der Geldfachmann.

Die Studie beruht auf einer Mammutarbeit: Der Geldexperte untersuchte die Entwicklung der beiden Zinssätze von September 2008 an, also vom Beginn der weltweiten Finanzkrise, die auch in Deutschland die bis heute anhaltende Phase der niedrigen Zinsen einleitete. Keßler stützte sich dabei auf die Datenbank der FMH-Finanzberatung in Frankfurt. Sein Gradmesser war zunächst bei beiden Zinssätzen der jeweilige langjährige Durchschnittswert aller Banken in der FMH-Datenbank. Dieser beläuft sich für den Dispo von Anfang September 2008 bis Ende November 2015 im Durchschnitt auf 10,89 Prozent für das günstigste Girokonto des jeweiligen Anbieters. Beim Tagesgeld für einen Anlagebetrag von 2000 Euro waren es 1,03 Prozent. Keßler bezeichnet deshalb diejenigen Banken, die beim Dispo 10,89 Prozent oder weniger verlangen und beim Tagesgeld mindestens 1,03 Prozent oder mehr vergüten, als "faire Geldhäuser".

Zinsen: Die ING-Diba, hier die Zentrale in Frankfurt, schneidet im Vergleich gut ab.

Die ING-Diba, hier die Zentrale in Frankfurt, schneidet im Vergleich gut ab.

(Foto: mauritius images)

Die Volkswagen Bank bekommt im Langzeittest eine sehr gute Note

In einem zweiten Schritt prüfte der Finanzexperte, wie dauerhaft die Geldinstitute gute Leistungen bieten. Dafür analysierte er jeden einzelnen Monat im gewählten Sieben-Jahres-Zeitraum und prüfte, ob die Zinssätze einer Bank für Dispo und Tagesgeld gleich hoch oder besser waren als der jeweilige monatliche Durchschnittswert der FMH-Datenbank. "Die Kunden wollen ja wissen, ob sich ein Geldhaus für ein paar Monate oder über viele Jahre fair verhält", sagt er.

Die Ergebnisse für die Geldbranche verdienen wohl allenfalls das Prädikat "mittelprächtig": Nur jedes dritte Institut besteht den Fairness-Check in beiden Kategorien. Knapp die Hälfte der geprüften Banken und Sparkassen zeigt sich beim Dispozins kundenfreundlich. Beim Tagesgeld liegt jedes zweite Geldhaus über dem Vergleichs-Durchschnitt.

Ein Testsieger ist dabei die Volkswagen Bank. Nur sie schaffte es, nicht nur im langjährigen Durchschnitt, sondern auch noch Monat für Monat sowohl beim Dispo als auch beim Tagesgeld überdurchschnittlich gute Konditionen zu bieten. In allen 87 Test-Monaten war die Bank besser als der als fair ermittelte Monats-Durchschnittswert. Zu den weiteren Top-Anbietern zählen die Direktbanken Consorsbank, die 87-mal besser beim Dispo und 85-mal besser beim Tagesgeld war, gefolgt von der ING-Diba.

Wie immer bei solchen Vergleichen gibt es riesige Unterschiede, auch bei den einzelnen Bankengruppen: So kamen die Direktbanken, die in der Regel ohne Filialen arbeiten, beim Dispozins im langjährigen Durchschnitt auf 9,2 Prozent. Die Genossenschaftsbanken lagen mit durchschnittlich 10,7 Prozent noch im grünen Bereich. Die überregionalen Filialbanken und die Sparkassen forderten hingegen im Durchschnitt 11,7 oder sogar 12,3 Prozent. "Diese Institute verhalten sich so, als ob es den historisch einmaligen Zinsrutsch nie gegeben hätte", kritisiert er. Alle acht Sparkassen und fünf der sechs Filialbanken bewegen sich hier unterhalb seiner Fairness-Linie. Der Geldfachmann spricht deshalb von einem "kollektiven Versagen". Testsieger beim Dispo ist die DAB-Bank, die sich im Durchschnitt mit 7,16 Prozent zufrieden gibt, während die Postbank satte 12,71 Prozent im langjährigen Durchschnitt kassiert hat. Bei einem teuren Institut zu sein, kann einiges Geld kosten: Laut einer Bankenumfrage überzieht fast jeder sechste Bundesbürger regelmäßig sein Girokonto - im Durchschnitt um 1180 Euro im Jahr. Wer dann gut fast 13 statt etwas mehr als sieben Prozent Dispozinsen berappt, zahlt über die Jahre schnell ein paar hundert Euro zusätzlich.

Speziell bei den Sparkassen seien hohe Dispozinsen "als willkommene Ertragsquelle an der Tagesordnung", sagt Klaus Fleischer, Banken-Professor an der Hochschule München. Daran werde sich auch nichts ändern, "solange es der Wettbewerb zulässt. Newcomer im Bankensektor werden aber künftig sicher in diese Nische preschen und Kunden kostengünstigere Alternativen anbieten". Als positiv bewertet Fleischer die neuen Hinweispflichten. Danach müssen Banken Kunden beraten, die den Dispo lange und in starkem Maße in Anspruch nehmen, beraten.

Bankkunden sollten eine Krankheit oder eine Scheidung einkalkulieren

Bei Keßlers Tagesgeld-Fairness-Check schneiden die Direktbanken ebenfalls sehr gut ab. Testsieger in dieser Kategorie ist jedoch keine Direktbank, sondern die Santander Consumer Bank. Sie rückte auf ihrem Geldmanagement-Konto mit durchschnittlich 1,46 Prozent etwas mehr heraus als Comdirect, Volkswagen Bank und Co. Der Wert liegt deutlich über dem ermittelten Durchschnittssatz von 1,03 Prozent, in dem nur die Angebote für Stammkunden eingingen. Lockvogelangebote mit begrenzt höheren Zinssätzen für Neukunden berücksichtigte Keßler bewusst nicht. Auch hier sind die Unterschiede riesig: Manche Institute wie die Frankfurter Sparkasse oder die Berliner Volksbank vergüteten ihren Kunden das Tagesgeld in dem Langfrist-Vergleich mit gerade einmal etwas über 0,3 Prozent.

Wechselwilligen Privatkunden rät der Finanzexperte, sich die Institute genauer anzusehen, die über die untersuchten mehr als sieben Jahre in beiden Kategorien gut oder spitze abgeschnitten haben: "Schließlich können auch Bankkunden mit einer stattlichen Rücklage auf einem Tagesgeldkonto schnell und unverschuldet in eine finanzielle Schieflage geraten und auf einen Dispokredit angewiesen sein, sei es durch eine längere Krankheit, einen Jobverlust oder eine Scheidung", sagt er. Umgekehrt könne ein Kunde, der den Dispokredit weidlich nutzt, "durch einen Karrieresprung oder eine Erbschaft zum Tagesgeld-Anleger werden". Insgesamt acht der 26 Geldhäuser, die in beiden Kategorien vertreten waren, liegen hier über den Durchschnittswerten: Dazu zählen sechs Direktbanken, die Sparda-Bank München und gerade noch so die Targobank (Tabelle). Die ING-Diba schaffte dabei sowohl beim Dispozins als auch beim Tagesgeld den Sprung auf einen der ersten drei Plätze.

Die Einzelsieger bei Dispo und Tagesgeld, die DAB Bank und die Santander Consumer Bank, sind davon weit entfernt, weil sie in der jeweils anderen Kategorie nicht so gut abschneiden. Keßler vermutet: Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass Banken nicht selten "besonders attraktive Angebote für den Kunden durch eher teure Angebote gegenfinanzieren".

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