Zins-Manipulationen bei Banken:Schwieriger Kampf gegen die Gier

Jürgen Fitschen Anshu Jain Deutsche Bank

Reagieren inzwischen nach altbekanntem Muster auf die Skandale der Finanzbranche: Deutsche-Bank-Chefs Jürgen Fitschen (links) und Anshu Jain.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

"Kulturwandel" hieß das Versprechen. Stattdessen erschüttert ein Skandal nach dem anderen die Finanzbranche - und häufig ist die Deutsche Bank nicht weit. Politiker und Aufseher wollen die Machenschaften der Geldhäuser endlich stoppen. Aber wie?

Von Claus Hulverscheidt, Markus Zydra, Andrea Rexer und Harald Freiberger

Als Jürgen Fitschen und Anshu Jain Ende vergangenen Jahres einen "Kulturwandel" bei der Deutschen Bank ankündigten, da wussten sich manche Kommentatoren nur noch mit biblischen Worten zu behelfen, um die Bedeutung des Augenblicks einzufangen. "Banker tun Buße" titelte eine Berliner Tageszeitung, was die neuen Chefs des größten deutschen Geldhauses wohl darin bestärkte, in ihrer Weihnachtsbotschaft an die Mitarbeiter noch nachzulegen: "Wir werden alles daran setzen, die Vergangenheit aufzuarbeiten."

Ein Jahr später sieht es nicht einmal ansatzweise danach aus, als sei die Aufgabe erledigt. Im Gegenteil: Beinahe im Monatsrhythmus werden Skandale und Affären in der Finanzbranche ruchbar - und fast immer, wenn es irgendwo qualmt und stinkt, ist die Deutsche Bank nicht weit. Am Mittwoch verhängte die EU-Kommission wegen Manipulationen bei den Referenzzinssätzen Libor und Euribor eine Gesamtstrafe von 1,7 Milliarden Euro gegen sechs Geldhäuser. Allein die Deutsche Bank muss im Rahmen des Vergleichs 725 Millionen Euro zahlen - immerhin 30 Prozent weniger als zunächst geplant, weil sich das Institut der Brüsseler Behörde als Kronzeuge anbot.

Zinsen, Goldpreis, Währungen - was könnte noch manipuliert sein?

Fitschen und Jain reagierten nach einem mittlerweile bekannten Muster: Sie sprachen von einem Fehlverhalten "einzelner Mitarbeiter in der Vergangenheit, die schwere Verstöße gegen Werte und Überzeugungen der Deutschen Bank darstellen" - und gelobten Besserung für die Zukunft. Mehr Kontrollen soll es geben, dazu neue Mitarbeiter und eine bessere IT.

Doch die Skandalserie reißt nicht ab: Behörden um den ganzen Globus ermitteln derzeit, ob die Deutsche Bank gemeinsam mit anderen Branchenriesen die Kurse wichtiger Währungen manipuliert haben könnte. Dazu tauschten sich die Institute vor der Ausführung großer Kundenaufträge angeblich aus und nutzten ihr so gewonnenes Insiderwissen, um im Vorfeld und zulasten der Kunden in die eigene Tasche zu wirtschaften.

Aus Sicht der Grünen zeigt der Fall, dass in der Bankbranche "richtig aufgeräumt" werden muss. Andernfalls, so der Finanzexperte Gerhard Schick, brauche sich niemand "zu wundern, "wenn die gegenwärtige Wirtschaftsordnung immer weniger akzeptiert wird". Er hat bereits konkrete Vorstellungen, was im Kampf gegen die Gier helfen könnte: tatsächlich abschreckende Geldbußen, ein Unternehmensstrafrecht, das Sanktionen nicht nur gegen einzelne Mitarbeiter, sondern auch gegen den Konzern als Ganzes ermöglicht, sowie staatsanwaltschaftliche Ermittlungsbefugnisse für die oft zahnlose Aufsichtsbehörde Bafin.

Noch einen Schritt weiter geht die stellvertretende Chefin der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht. Der Finanzmarkt sei kein funktionierender Markt, "sondern Schauplatz eines Großbetrugs, auf dem ein Oligopol von weniger als zehn großen Investmentbanken bei fast allen Deals auf mindestens einer Seite beteiligt ist", sagt sie. Wer dies beenden wolle, müsse die Bankenriesen zerschlagen und Derivate verbieten.

"Nichts anderes als eine große Wettbude"

Nicht viel besser kommen die Geldhäuser bei den mutmaßlichen Koalitionspartnern CDU/CSU und SPD weg. Unionsfraktionsvize Michael Meister fordert die "schonungslose und zügige" Umsetzung neuer Kontrollmechanismen. Auch müssten die Banken einsehen, "dass exorbitante Renditen der Vergangenheit angehören". Ins selbe Horn stößt Meisters SPD-Kollege Joachim Poß. "Die Skandale sind mit Sicherheit auch Ausdruck der überzogenen Renditewünsche à la Ackermann", so der Sozialdemokrat. Neben einem transparenten, regulierten Handel fordert er eine bessere Ausbildung: "Wenn wichtige Finanzdienstleistungen wie Computerspiele betrachtet werden, dann läuft etwas falsch."

Nun könnte die Kritik der Parlamentarier die Banken vielleicht noch kalt lassen, bedenklich jedoch muss sie stimmen, dass auch offizielle Stellen zunehmend missmutig reagieren. "Der Verdacht, dass Banken auch Devisenkurse manipuliert haben könnten, erschüttert erneut das Vertrauen in die Banken", sagt etwa Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret. "Um es zurückzugewinnen, muss sich die gesamte Branche wieder auf den ursprünglichen Zweck des Finanzsystems besinnen: Die Banken müssen als Dienstleister für die Unternehmen der Realwirtschaft agieren. Ein tief greifender Kulturwandel ist unumgänglich." Und auch das Finanzministerium ist verärgert: Bestätigten sich die Vermutungen, so ein Sprecher, müssten sogenannte Benchmarks deutlich strikter reguliert werden.

Zu diesen Benchmarks zählen neben dem Wechselkursfixing auch die tägliche Festlegung von Zinssätzen wie dem Libor sowie des Goldpreises. Beim jetzt beigelegten Libor-Konflikt hatten die beteiligten Institute die Sätze manipuliert, um auf dem Höhepunkt der Finanzkrise ihre prekäre Lage zu verschleiern und eigene Positionen zu verbessern. Schon Veränderungen bei der zweiten Nachkommastelle reichten aus, um sechsstellige Gewinne einzufahren.

Den Ermittlungen zufolge sprachen sich die Händler per E-Mail ab. Sie verwendeten dabei Smileys und Abkürzungen wie "3m" und "6m" für den Drei- und den Sechs-Monats-Libor. Die Mails klangen etwa so: "Ist eure Meldung schon weg, oder kann man den 3m noch ein wenig korrigieren?" "Halte den 6m bis Dienstag hoch, dann lass ihn fallen." Über einen Broker, der bestochen worden war, schrieb ein Händler: "Er kann mit einer Flasche Champagner im Jahr, einem Besäufnis und ab und an einem kleinen Bonus leben."

Auch beim Goldpreisfixing gibt es erste Manipulationsgerüchte: Bislang galten angesichts ihrer riesigen Bestände vor allem die Zentralbanken als verdächtig. Nun jedoch haben die Aufseher die Geschäftsbanken ins Visier genommen: Zwar gibt es noch keinen konkreten Tatverdacht, doch allein die Tatsache, dass es nur ganze fünf Institute sind, die einmal am Tag telefonisch den aktuellen Preis festlegen, macht die Behörden mittlerweile misstrauisch. Die Betroffenen sind die Barclays Bank, die Bank of Nova Scotia, die HSBC, die Société Générale - und die Deutsche Bank.

Nicht nur deshalb stößt Schick und Wagenknecht das Wort vom "Kulturwandel" zunehmend sauer auf. Wenn so viele Banken derart massiv und oft gegen Gesetze verstießen, sagt Schick, "dann ist das nicht nur auf Einzelne zurückzuführen, sondern dann ist der Markt falsch reguliert, und es stimmt die unternehmensinterne Kontrolle nicht". Und die Kollegin von der Linken setzt noch einen drauf. "Es gibt keinen Kulturwandel", so Wagenknecht. "Die Deutsche Bank ist auch heute nichts anderes als eine große Wettbude."

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