Süddeutsche Zeitung

ZEW-Chef Wolfgang Franz:"Die Rechnung dafür kommt erst noch"

Schulden über Schulden: Für die Abwrackprämie werden künftige Generationen einen hohen Preis zahlen, meint der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz.

Varinia Bernau

Wolfgang Franz leitet das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und ist einer der fünf Wirtschaftsweisen, die die Bundesregierung beraten. Die Abwrackprämie werde künftige Generationen teuer zu stehen kommen, sagt er im SZ-Interview.

SZ: Der Haushaltsentwurf für 2010 sieht die höchste Neuverschuldung der Bundesgeschichte vor: 86 Milliarden Euro zulasten künftiger Generationen. Ist das gerecht?

Franz: Bei der Belastung späterer Generationen muss man unterscheiden. Von Investitionen in Bildung oder Infrastruktur profitieren auch diese. Deshalb ist es durchaus gerechtfertigt, sie daran zu beteiligen und ihnen gewisse Schulden zu übertragen. Anders verhält es sich bei den aktuellen Ausgaben, die nur dazu dienen, den Konsum anzukurbeln. Davon haben künftige Generationen nichts und dennoch müssen sie diese Schulden schultern. Die Rechnung für die Abwrackprämie kommt erst noch.

SZ: Wer genau muss die denn bezahlen und wie hoch fällt sie aus?

Franz: Das weiß derzeit niemand. Erst wenn feststeht, wie groß der Konsolidierungsbedarf ist, wird man diese Frage seriös beantworten können. Und welche sozialen Schichten die tiefsten Einschnitte spüren, hängt maßgeblich davon ab, wie Deutschland seinen Schuldenberg abtragen wird. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: Die Ausgaben zu kürzen oder die Steuer zu erhöhen.

SZ: Wen würden diese Optionen am härtesten treffen?

Franz: Man muss diskutieren, ob man eher die oberen Einkommensschichten belastet oder ob alle Opfer bringen müssen. Man muss aber noch etwas im Auge behalten: Steigt der Einkommenssteuersatz zu stark, so fehlt immer mehr Menschen ein Anreiz, arbeiten zu gehen.

SZ: Künftig wird es ohnehin an Menschen im arbeitsfähigen Alter fehlen. Sind spätere Generationen überhaupt stark genug, die Schulden abzutragen?

Franz: Die Demographie ist unerbittlich. Das dürfen wir bei der Finanzierung unseres Sozialsystems nicht vergessen. Es gibt die Möglichkeit, die Beitragssätze zu erhöhen, was allerdings Arbeitsplätze kosten wird. Oder die Regierung kann die Renten kürzen, was kaum durchzusetzen ist. Als dritte und einzig sinnvolle Möglichkeit bleibt nur, die Lebensarbeitszeit zu erhöhen, wie dies mit der Anhebung des Rentenalters auf 67 in die Wege geleitet ist. Die vergangene und auch die derzeitige Bundesregierung hatten die Weichen eigentlich richtig gestellt. Momentan allerdings ist mein Eindruck, dass sich die Politiker auf den falschen Weg begeben.

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SZ vom 26.06.2009/as/pak
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