Zensur:Google spürt Chinas Rache

US-Präsident Bush trifft den Dalai Lama - und plötzlich sind die chinesischen Google-Seiten nicht mehr erreichbar. Zufall? Wohl kaum.

Janis Vougioukas

Google ist offenbar Opfer eines Racheaktes der chinesischen Regierung geworden. Der Zugang zu mehreren Webseiten und Internetangeboten der US-Suchmaschine ist von der chinesischen Zensur zumindest teilweise blockiert worden, darunter die chinesische Google-Suchseite und das Videoportal Youtube. Auch andere Internetfirmen sind betroffen.

Das Weblog Google Blogoscoped berichtet, dass seit Mittwoch auch der Microsoft-Dienst Live.com und die Suchmaschine Yahoo.com nicht in China aufgerufen werden konnten. Am Freitagabend waren einige der Seiten wieder zugänglich. Die chinesische Regierung begründet die Sperrung von Webseiten meist nicht.

Branchenkenner spekulierten, dass das Zusammentreffen von US-Präsident George W. Bush mit dem Dalai Lama der Grund sei. In Peking hatte das als "private Begegnung'' deklarierte Gespräch und die Ehrung des Dalai Lamas mit der Goldmedaille des amerikanischen Kongresses für großen Unmut gesorgt. China hat Tibet 1950 besetzt und betrachtet das geistige Oberhaupt der Tibeter als Separatistenführer.

China leitet Nutzer auf regimefreundliche Seite um

Pekings Internetwächter hatten bereits mehrfach den Zugang zu Google und anderen ausländischen Internetangeboten gesperrt. Auf den Bildschirmen chinesischer Surfer erschien die Mitteilung, dass die Webseite nicht erreicht werden könne.

Dieses Mal wurden Internetnutzer auf die Seite der chinesischen Suchmaschine Baidu umgeleitet. Baidu gilt als regierungstreues Vorzeigeunternehmen. In China ist Baidu sogar erfolgreicher als Google: Die Seite ermöglicht nach wie vor illegale MP3-Downloads, sehr zum Ärger der US-Musikindustrie.

Wie willkürlich die chinesische Zensurbehörde vorgeht, auch um chinesischen Firmen einen Vorteil zu verschaffen, zeigt ein weiterer Fall: Im Frühjahr war Baidu in Japan gestartet. In China sind pornographische Webseiten fast komplett blockiert. Nur über Baidu.jp waren diese zeitweise zugänglich.

Die Nutzerzahlen von Baidu.jp schossen nach oben, 60 Prozent der Zugriffe kamen aus China. Offenbar tolerierten die Sittenwächter das Schlupfloch, um den Marktanteil von Baidu Japan künstlich nach oben zu drücken. Baidu.jp ist mittlerweile nicht mehr aus China zu erreichen.

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