Es wirkt so, als könne selbst der größte Zalando-Investor Kinnevik kaum mehr daran glauben, dass der Aktienkurs des Berliner Online-Modehändlers noch weiter steigt. Die in Deutschland wahrscheinlich bekannteste schwedische Beteiligungsfirma hat beschlossen, aus Zalando auszusteigen - und zwar ganz. "Hej då" ist schwedisch und heißt: Und tschüss! Das ist ein Wort. Denn Kinnevik hat Zalando fast von Anfang an begleitet und maßgeblich dazu beigetragen, den 2008 gegründeten und anfangs belächelten Online-Schuhverkäufer groß zu machen.
Noch am Dienstag war der Aktienkurs von Zalando auf ein neues Rekordhoch von 103 Euro gestiegen. Dann folgte tags darauf ziemlich überraschend die Ankündigung Kinneviks, die Beteiligung von zuletzt 21 Prozent an dem MDax-Unternehmen komplett an die eigenen Aktionäre ausschütten zu wollen. Die müssen dem Ganzen noch auf der Hauptversammlung des börsennotierten Investors Ende April zustimmen. Aber das gilt als Formalie. Es geht um ein außergewöhnlich erfolgreiches Investment. Kinnevik soll über die Jahre hinweg umgerechnet 786 Millionen Euro in Zalando gesteckt und diesen Einsatz mehr als verachtfacht haben.
Die Skandinavier waren 2010 bei Zalando eingestiegen, also lange vor dem Börsengang 2014. Der Ausgabepreis lag damals bei 21,50 Euro. Allein seit dem vergangenen März, als viele Aktien in Deutschland wegen der Corona-Pandemie abstürzten, stieg der Kurs vom damaligen Tiefststand bis heute um gut 200 Prozent. Allein die verbliebene Beteiligung hat einen Wert von etwa 5,5 Milliarden Euro.
Das Management bedankte sich artig bei dem Großinvestor
Gestiegen ist der Zalando-Kurs zuletzt vor allem, weil immer mehr Menschen auch wegen Corona Kleidung über die Online-Plattform kaufen. Wertvoll macht den Online-Händler zudem, dass sich immer mehr Modehändler, die selber keinen gut funktionierenden Online-Shop haben, der Connected-Retail-Plattform von Zalando anschließen. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen heute mehr als 35 Millionen aktive Endkundinnen und -kunden in 17 Ländern. Mit 14 000 Mitarbeitern erwirtschaftet der Modehändler einen Umsatz von mehr als sechs Milliarden Euro. Mitte März stellt der Online-Händler die Jahreszahlen für 2020 vor, ein Jahr, in dem sich das Wachstum aufgrund der Ladenschließungen voraussichtlich noch mal beschleunigt hat. Das Management bedankte sich artig bei dem Großinvestor. Alle Kinnevik-Aktionäre könnten nun direkte Aktionäre von Zalando werden. Das klang wie eine Aufforderung.
Analysten etwa von der Commerzbank bezweifeln allerdings, dass alle Kinnevik-Anteilseigner an ihren neuen Zalando-Aktien festhalten. Kurz nach Bekanntwerden von Kinneviks Ausstieg reagierten viele Anleger nervös. Der Kurs sank zeitweise um mehr als sechs Prozent. Aber nicht nur die Commerzbank-Analysten bleiben grundsätzlich optimistisch. Sie gaben ein Kursziel von 113 Euro aus.
Manche Börsianer meinen, die Chancen von Zalando, in den Leitindex Dax aufzusteigen, hätten sich nun verbessert. Denn der Streubesitz, der Anteil der frei zugänglichen Aktien, vergrößere sich, und ein Ankerinvestor fehle. Dadurch könnten sich nicht nur kleinere, sondern auch institutionelle Anleger angezogen fühlen.
Die Beteiligungsgesellschaft aus Stockholm wiederum begründet den Rückzug damit, sich wieder auf junge, nicht-börsennotierte Wachstumsunternehmen fokussieren zu wollen. Kinnevik ist auf allen Kontinenten unterwegs und investiert in diverse Bereiche, vom elektronischen Handel über Telekommunikation und Finanzdienstleistungen bis zum Gesundheitswesen. Dazu gehören beispielsweise der Online-Möbelhändler Home24 oder mit der Global Fashion Group ein weiterer Online-Modehändler, der anders als Zalando vor allem außerhalb Europas tätig ist. Kinnevik-Chef Georgi Ganev verriet nach dem Überraschungscoup auch, wo Kinnevik künftig investieren will: Ihm schwebt der Lebensmittel- und der digitale Gesundheitssektor vor.