Zalando:Bald auch Parfum

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Blick in ein Logistik-Zentrum von Zalando. (Foto: Zalando)

Cremes, Lotionen und Lippenstifte ergänzen 2018 Zalandos Modewelt. Die Berliner Firma ist Deutschlands größtes Aushängeschild in der Digitalwirtschaft.

Von Michael Kläsgen, München

Das Amazon Europas ist Zalando zwar nicht. Aber neben Hellofresh, Zooplus und mit Abstrichen Outfittery ist der Online-Modeversender aus Berlin unbestritten eines der größten Aushängeschilder Deutschlands auf internationaler Ebene, wenn es ums Digitale geht. Bei der Gründung 2008 bezweifelten viele noch, dass sich Schuhe online verkaufen lassen. Inzwischen hat Zalando eine Plattform aufgebaut, auf der sich Modeschaffende, Händler, Hersteller, Blogger und Verbraucher treffen sollen. Modemarken können sie für ihre eigenen Shops nutzen.

Am Mittwoch gab das 3,6 Milliarden Euro Umsatz schwere Unternehmen bekannt, das Sortiment auszuweiten und von Frühjahr 2018 an auch Kosmetika und Parfum online zu verkaufen. Ein Schritt, über den in der Branche bereits spekuliert wurde, nachdem Zalando vor Monaten die Lizenz für den Transport von leicht entflammbaren Produkten wie Parfum beantragte. Das Angebot gilt zunächst nur für Deutschland, erst in einem zweiten Schritt soll es auf die anderen 15 europäischen Länder ausgeweitet werden, in denen Zalando präsent ist.

Bislang werden über das Internet relativ wenig Umsätze mit Schönheitsprodukten erzielt

Co-Vorstandschef Rubin Ritter bezeichnete die Ausweitung des Sortiment in dem Bereich als "nächsten logischen Schritt". Drei Viertel der Zalando-Kunden sind weiblich, es liegt nahe, dass sie bei Zalando auch Artikel kaufen würden, die sie bislang eher in Läden und nicht im Internet suchten. Der Beauty-Markt in Deutschland ist einigermaßen zersplittert. Die eine herausragende Marke gibt es nicht, schon gleich gar nicht online. Nur ein geringer Teil des Beauty-Marktes mit einem Volumen von 80 Milliarden Euro in Europa wird derzeit über das Internet umgesetzt. Händler wie Douglas oder Sephora verkaufen überwiegend in ihren Läden. Kaum ein Händler fiel bislang durch eine klare, offensive Online-Strategie auf.

Bei Douglas dürfte sich das voraussichtlich unter der vom Autohersteller Opel kommenden neuen Unternehmenschefin Tina Müller ändern. Aber die hat gerade erst ihren neuen Job angetreten. Zalando hat einen zeitlichen Vorsprung. Grundsätzlich eröffnet der Vorstoß auf dem Beauty-Markt Zalando weitere Chancen: Das Unternehmen hat gute Chancen, in dem Bereich Marktanteile zu gewinnen, weil die Konkurrenz online relativ schwach ist. Wobei der Erfolg von Zalando davon abhängen wird, welche Marken das Unternehmen anbietet. Dazu wollte Ritter am Mittwoch nichts sagen.

Zum Preisniveau sagte er, dass alle Preiskategorien bedient werden sollen. Flankiert werde die Beauty-Offensive von einem eigenen Konzeptstore in Berlin. Dort soll nicht nur das Sortiment verkauft, sondern sollen auch Veranstaltungen zu Produkteinführungen, Anleitungen und Expertenberatung angeboten werden.

Der Vorstoß im Beauty-Markt dient Zalando auch dazu, die Margen zu verbessern. Diese liegen bei Artikeln aus dem Bereich höher als in der Modebranche, speziell bei Parfums. Bei den Margen hapert es derzeit noch bei Zalando. Das Unternehmen setzte bislang auf eine aggressive Wachstumsstrategie mit Raten im zweistelligen Bereich. Auch im zurückliegenden Quartal stieg der Umsatz um mehr als 27 Prozent und übertraf damit die Erwartungen. Doch das ging zum wiederholten Mal zulasten des Gewinns, auf den Anleger besonders schauen. Die offiziellen Zahlen gibt Zalando erst Anfang November heraus. Das Unternehmen deutete aber an, dass zwischen Juli und Ende September ein Verlust beim operativen Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) angefallen sein könnte. Entsprechend verlor die Aktie am Mittwoch zunächst an Wert. Ein Großteil der Analysten setzte das Kursziel dennoch nach der Bekanntgabe der vorläufigen Geschäftszahlen hoch, weil sie mittelfristig höhere Gewinne und Margen erwarten. Ohnehin ist Zalando seit dem Börsengang vor drei Jahren am Kapitalmarkt eher eine Erfolgsgeschichte. Der Börsenwert hat sich seither auf knapp elf Milliarden Euro verdoppelt.

Der Gewinn litt zuletzt im Wesentlichen, weil Zalando relativ hohe Summen in den Service für schnelle Lieferungen investierte, etwa in den Bau zweier Logistikzentren. In acht deutschen Städten stellt Zalando inzwischen die bestellte Ware noch am gleichen Tag zu. Bei den Retouren bietet das Unternehmen inzwischen wie viele andere Händler an, die Ware direkt an der Haustür abzuholen.

Mit Cremes und Parfums im Angebot ist Zalando auf gutem Weg, das selbstgesteckte Ziel zu erreichen, in den kommenden Jahren zur "Multi Product Company" zu werden - mit einer Vielzahl von Erlös-Strömen. An die Kategorie "Wohnen" hatte Zalando vor dem Börsengang ebenfalls gedacht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Wohnen noch einmal als Erlösquelle in den Fokus gerät. Mehr Männer hätte Zalando ebenfalls gern als Kunden. Die Marketing-Kampagne mit US-Schauspieler James Franco im März zeigt, dass Zalando hier noch Potenzial sieht. Die skandinavischen Großaktionäre Kinnevik und die Bestseller-Group stützen den Kurs. Das ultimative Ziel bleibt, dass irgendwann auch Modeketten wie Zara und H&M bei Zalando verkaufen.

Aber Mode ist wie der Vorstoß in das Beauty-Geschäft längst nicht mehr alles bei Zalando. Von den mehr als 12 000 Mitarbeitern sind etwa 1600 digitale Entwickler. Neben dem eigenen Handelsgeschäft und Großhandel bietet Zalando zudem Kundenanalytik und Logistik-Leistungen an. Ein bisschen eine Tech Company wie Facebook oder Google will Zalando also auch sein. Und wenn die Berliner schon nicht Amazon sind, dann eifern sie dem US-Konzern immerhin nach, etwa mit Preisvorteilen für Stammkunden.

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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