Süddeutsche Zeitung

Zahlen per Fingerdruck:Wenn Berlin in Frankreich liegt

Apple-Fans schaffen es mit allerlei Tricks, schon jetzt mit ihrem iPhone zu bezahlen, obwohl es diese Funktion in Deutschland noch nicht gibt

Von Felicitas Wilke

Es ist Feierabend, kurz vor Ladenschluss im Supermarkt, an der Kasse stehen die Menschen in langen Schlangen. Und der Vordermann kramt in großer Seelenruhe in seinem Portemonnaie herum, um seine Centmünzen loszuwerden und den Betrag auch haargenau passend zu bezahlen. Es ginge auch besser und schneller, findet Ehssan Khazaeli. "Wenn man mit dem Smartphone bezahlt, hat man kein Problem mit dem Kleingeld und kann den Vorgang schnell per Fingerabdruck abschließen", sagt er. Aber es gibt da einen Haken: Der Jurist Khazaeli hat ein iPhone. Weil der US-Technologiekonzern sein mobiles Bezahlsystem Apple Pay bislang nicht nach Deutschland gebracht hat, können auf den iPhones keine deutschen Kreditkartendaten hinterlegt werden.

So kann Khazaeli nicht mit dem Smartphone bezahlen, obwohl viele Kassen und sein Handy die technischen Voraussetzungen bereits erfüllen. Also dachte sich Khazaeli einen Trick aus, über den das IT-Finanzmagazin zuerst berichtete: Er verlegte Berlin kurzerhand nach Frankreich.

Da Apple Pay in Frankreich bereits auf dem Markt ist und der Dienst dort auch von seiner Bank unterstützt wird, bestellte Khazaeli online eine neue Kreditkarte und gab als Lieferadresse seine Anschrift in Berlin an. Land: Frankreich. Kurz darauf landete in seinem Briefkasten in der deutschen Hauptstadt eine Bezahlkarte mit französischer Länderkennung, die von Apple akzeptiert wird. "Es funktioniert einwandfrei", sagt Khazaeli.

Er ist nicht der einzige Apple-Fan, der die Anwendung mit allerlei Tricks zu überlisten versucht, um mobil zu bezahlen. Auch andere Kniffe machen schon seit Längerem im Netz die Runde. So können iPhone-Besitzer etwa mithilfe der App Boon und einer virtuellen Prepaid-Kreditkarte aus einem Apple-Pay-Land schon jetzt mobil ihre Rechnung begleichen.

Die einen können es kaum erwarten, endlich mit dem Handy an der Kasse zu bezahlen, für viele andere Menschen in Deutschland klingt das dagegen noch immer nach abstrakter Zukunftsmusik. Anfang des Jahres gaben in einer Studie der Unternehmensberatung PWC nur 13 Prozent der Befragten an, schon einmal mit dem Smartphone bezahlt zu haben. Viele machen sich Sorgen um Sicherheit und Datenschutz, manche erkennen keinen echten Zusatznutzen darin, mit dem Handy statt mit Karte oder Bargeld zu bezahlen. Und andere wiederum finden es verwirrend, dass so viele verschiedene Anbieter eine App zum mobilen Bezahlen anbieten. Es sei zwar mittlerweile nicht mehr so, dass die Kunden bei jedem Supermarkt eine eigene App bräuchten, sagt Florian Schröder, Fintech-Manager bei der Unternehmensberatung KPMG. "Doch der Markt ist in Deutschland noch immer relativ fragmentiert." So haben nicht nur viele Handelsketten ihre eigenen Bezahl-Apps, sondern auch Banken, Telekommunikationsanbieter oder Bonusprogramme wie Payback.

Die Marktanteile verteilen sich auch deshalb noch auf viele Anbieter, weil die großen Namen mit ihren Bezahlsystemen bislang nicht in Deutschland vertreten sind. Das gilt nicht nur für Apple, sondern auch für Google. Wer ein Smartphone mit dem Google-Betriebssystem Android besitzt, kann zwar mithilfe anderer Apps mobil bezahlen - nicht aber über einen eigenen Google-Dienst. Zwar bestehen kaum Zweifel daran, dass beide Anbieter bald auch in den schwierigen, weil bargeldaffinen deutschen Markt eintreten werden, die Frage ist nur, wann. Spekuliert wird über das kommende Jahr. "Apple, Google und womöglich auch Microsoft als lachender Dritter werden den Markt in Deutschland aufmischen und eine Konsolidierung herbeiführen", glaubt Schröder.

Apple beteuert auf seiner Website schon mal in kumpeligem Ton, dass Apple Pay keine Daten zur Transaktion speichere, "die auf dich zurückzuführen sind". Aus den USA weiß man aber von Google bereits, dass der Konzern auf viele Kreditkartendaten zugreifen und für Werbezwecke nutzen kann. Technisch zumindest sind die Voraussetzungen für die großen Konzerne bereits erfüllt. Denn der Verkäuferin im Supermarkt ist es egal, mit welcher Anwendung ihre Kunden den Einkauf bezahlen; ihre Kasse ist bei vielen großen Ketten ohnehin schon mit der kontaktlosen NFC-Technologie ausgerüstet.

Ehssan Khazaeli bezahlt bereits mit Apple Pay. Doch seine Bank, der Online-Anbieter N 26, scheint von dem Trick mit der französischen Kreditkarte weniger begeistert gewesen zu sein. Kurz nachdem er ihn über Twitter teilte, kündigte die Bank seinen Vertrag. Ob die Kündigung damit zu tun hat, dazu äußert sich die Bank nicht. Während der zweimonatigen Kündigungsfrist kann Khazaeli seinen Trick aber noch anwenden. Und im Frühjahr wagt sich Apple Pay ja vielleicht doch nach Deutschland.

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Quelle:
SZ vom 20.11.2017
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