Yukos-Drama:Spekulationen über die Hintergründe

Mit der Verhaftung des Multi-Milliardärs Michail Chodorkowskij liegt das größte westliche Investitionsvorhaben in Russland auf Eis.

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(SZ vom 28.10.2003) — Mit der Verhaftung des Multi-Milliardärs Michail Chodorkowskij liegt das größte westliche Investitionsvorhaben in Russland auf Eis: Marktführer Exxon wollte sich bei der AO Yukos Oil Co einkaufen, deren Vorstandsvorsitzender Chodorkowskij ist.

Wie es in Presseberichten hieß, wollte Exxon, größter Öl-Multi der westlichen Welt, für 25 Milliarden Dollar 40 Prozent des Yukos-Kapitals erwerben, nachdem Yukos seinerseits den etwas kleineren russischen Öl-Konzern Sibneft übernommen hätte.

Auch ein zweiter US-Öl-Riese, die Chevron Texaco Corp war in Gesprächen mit Yukos. Ihr schwebte dem Vernehmen nach eine Kooperation vor, die durch einen Tausch von Vermögenswerten festgezurrt werden sollte.

Ausverkauf der Heimat

Beide Konzerne lehnten am Montag Stellungnahmen ab; am Markt hieß es, die beiden amerikanischen Unternehmen seien nach wie vor an einer Beteiligung an Yukos interessiert. Die Gespräche seien jedoch ausgesetzt worden, bis die Situation klarer sei.

Möglicherweise, so spekuliert man beim Londoner Centre for Economic Reform (CER), sei es sogar das Ziel der Verhaftung gewesen, eine Liaison zwischen Yukos und westlichen Öl-Multis zu torpedieren. Eine solche Verbindung rieche für viele Russen nach Ausverkauf der Heimat und sei äußert unpopulär. Nicht auszuschließen ist nach Ansicht der Investmentbank Merrill Lynch, dass sich "eine Änderung ergibt, wer künftig die Kontrolle über Yukos hat"; CER-Chefvolkswirtin Katinka Barysch formuliert es deutlicher: Es könnte sogar zu einer Wieder-Verstaatlichung des größten russischen Öl-Konzerns kommen, der Mitte der neunziger Jahre zum Schleuderpreis privatisiert worden war.

Für Dafne Ter-Sakarian, die die Russland-Analyse bei dem Forschungsinstitut Economist Intelligence Unit (EIU) leitet, wäre dies das schlechtest-mögliche Ergebnis. Damit würden ausländische Investoren davon abgeschreckt, sich in Russland zu engagieren.

Außerhalb des Öl-Sektors sind die ausländischen Investitionen minimal. Auch der Präsident der Osteuropa-Bank, Jean Lemierre, befürchtet, dass die Verhaftung massive Auswirkungen auf Russlands Integration in die Weltwirtschaft hat.

Er forderte Moskau auf, die Rechtsstaatlichkeit sicherzustellen. Unmittelbare Auswirkungen auf das russische Öl- und Gas-Angebot befürchtet die EIU nicht: Moskau sei viel zu sehr auf die Einnahmen aus der Öl-Industrie angewiesen.

Auch die Investition der BP, die sich vor wenigen Monaten als erster westlicher Öl-Multi in größerem Stil in Russland engagiert hatte, gilt als sicher. BP hat 6,8 Milliarden Dollar in eine Gemeinschaftsunternehmen mit der Öl-Gesellschaft TNK gesteckt.

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