Süddeutsche Zeitung

Konflikt USA - China:Deutschland könnte vom Yuan-Schock profitieren

  • Die Abwertung der chinesischen Währung Yuan könnte für deutsche Maschinenbauer kurzfristig sogar positive Folgen haben.
  • Gefährlicher ist die Situation für Elektronikkonzerne wie Apple, die von globalisierten Produktionsketten abhängig sind.
  • Doch es gibt ein weiteres Problem: Im Streit zwischen den USA und China droht ein Währungskrieg. Das hätte auch in Deutschland negative Folgen.

Von Helmut Martin-Jung, Stefan Mayr, Stuttgart, und Stephan Radomsky

Der Ton ist schon länger rau im Handelskonflikt zwischen den USA und China. Was gerade passiere, sei auf einer Vergeltungsskala von eins bis zehn aber "eine Elf", fasste Analyst Chris Krueger zusammen. Denn seit Montag überziehen sich die beiden größten Volkswirtschaften der Welt nicht mehr nur mit Strafzöllen, Peking hat auch den Yuan deutlich abwerten lassen - was Washington prompt als Währungsmanipulation geißelte. Inzwischen stützt China seine Währung zwar wieder, der Kurs bleibt allerdings niedrig. Und die Sorgen wachsen, ob sich der Handelskonflikt zum globalen Währungskrieg aufschaukeln könnte.

China und die USA sind gerade für die deutsche Wirtschaft extrem wichtig. Außerhalb der Euro-Zone war die Volksrepublik zuletzt der größte Lieferant und der zweitgrößte Absatzmarkt der hiesigen Wirtschaft - nach den USA. So importierte Deutschland von Januar bis Mai Waren im Wert von 44 Milliarden Euro aus China. Diese würden nun, nach dem Yuan-Sturz, günstiger. Zugleich lieferten die heimischen Unternehmen Waren für 40 Milliarden Euro nach China, die dort durch den neuen Wechselkurs teurer würden.

Profitieren deutsche Unternehmen und Verbraucher nun also vom schwachen Yuan? Oder schadet er der Konjunktur? Größtenteils sei es für Konsumenten und Firmen hier erst einmal gut, wenn die Importe günstiger würden, sagt die Ökonomin Dominika Langenmayr von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. "Direkt dürfte der niedrigere Yuan-Kurs für Deutschland unter dem Strich leicht positiv sein." Das größere Problem sei aber indirekt: "Jeder Schritt hin auf weitere Handelskonflikte schürt die Unsicherheit, das bremst Investitionen hier - und damit auch die Konjunktur."

Wie schwierig es ist, die Folgen eines Schlagabtauschs aus Zöllen, Abwertungen und Boykotten abzuschätzen, zeigt das Beispiel ZF Friedrichshafen. Das Unternehmen vom Bodensee ist der drittgrößte Autozulieferer im Land, hinter Bosch und Continental. Vergangenes Jahr machte der Konzern in China 6,2 Milliarden Euro Umsatz, etwa ein Sechstel des gesamten Geschäfts. Allerdings produzierte ZF in China auch in etwa 40 Werken mit rund 15 000 Mitarbeitern Komponenten im Wert von 6,1 Milliarden Euro. ZF ist damit sowohl Exporteur als auch Importeur. Es sei "noch zu früh für eine abschließende Beurteilung", ob der Yuan-Schock nun unterm Strich gut oder schlecht für ZF sei, sagte ein Sprecher. "Einerseits profitieren wir von unserer Produktion in China, andererseits stehen wir in Europa und den USA auch im Wettbewerb zu chinesischen Produkten, die jetzt billiger auf den Markt kommen."

Wie ZF machen es alle großen Zulieferer: Sie produzieren in China, um die Nähe zu den Kunden und ihren Werken zu haben, aber auch, um gegen politische Auswirkungen auf die Märkte unverwundbar zu sein. So ist es erklärtes Ziel von ZF, sämtliche Produkte auch in China herzustellen. Dabei ist die 100-Prozent-Quote zwar noch nicht erreicht, dennoch profitiert das Unternehmen in vielen Bereichen sogar von der Abwertung des Yuan.

Unternehmen mit starker chinesischer Konkurrenz auf dem Weltmarkt haben ein größeres Problem

Wohl auch deshalb reagieren die Unternehmen im Automobilland Baden-Württemberg bei aller Unübersichtlichkeit bisher gelassen: "Wir hatten ja schon mal einen noch deutlich schwächeren Yuan und haben dennoch exportiert", sagt Tim Wenniges, der China-Experte von Südwestmetall, dem Verband der Metall- und Elektroindustrie im Land. Zwar finde die aktuelle Abwertung "im Umfeld weiterer Krisenherde und Unsicherheiten" statt. Dies könne sich "unter Umständen psychologisch verstärken und auf die für unsere Industrie bedeutenden Ausfuhren nach China auswirken." Panik herrscht bislang aber nicht.

Natürlich würden Exporte nach China nun teurer, sagt Ökonomin Langenmayr. "Die Frage ist aber, wer trägt diese Kosten: die deutschen Lieferanten oder die chinesischen Kunden? Die deutschen dürften da nicht so einfach durch chinesische Zulieferer zu ersetzen sein." Ein Problem sei die Yuan-Abwertung vor allem für Unternehmen mit starker chinesischer Konkurrenz auf dem Weltmarkt. Doch Deutschland mit seinen oft hoch spezialisierten Exporteuren dürfte davon weniger betroffen sein als andere Länder.

Wie schnell aber auch Hightech-Konzerne mit globalisierten Liefer- und Produktionsketten in so einer Gemengelage Probleme bekommen können, zeigt Apple: Der Elektronikkonzern entwickelt und designt Produkte wie das iPhone oder das iPad in Kalifornien. Zusammengebaut aber werden sie in China, auf Maschinen und mit einer Unmenge an Bauteilen, die aus Drittstaaten kommen. Und dann werden die Geräte in alle Welt geliefert. Was zu welchem Kurs ein- und ausgeführt wird, welches Teil wo mit welchem Zoll belegt wird, all das ist inzwischen höchst kompliziert.

Für Apple sind vor allem die politischen Folgen eine Gefahr

Langfristig noch problematischer als Zölle und Wechselkurse könnten für Apple aber die politischen Folgen des Konflikts werden. Inzwischen hat der Handelsstreit dazu geführt, dass viele Chinesen "patriotisch" einkaufen. Das heißt, die Kunden in einem der wichtigsten Märkte der Welt meiden beispielsweise Apple und greifen stattdessen zu Huawei-Smartphones. Der Konzern verkaufte in seinem Heimatland im zweiten Quartal 31 Prozent mehr Smartphones als im Vorjahreszeitraum - obwohl der Gesamtmarkt um sechs Prozent schrumpfte. Apples Verkäufe sanken dagegen um 14 Prozent.

Ob ein iPhone nun demnächst wirklich um gut 100 Dollar teurer wird, die sich rechnerisch allein aus einem Importzoll von zehn Prozent ergäben, ist aber keineswegs ausgemacht. Konzernchef Tim Cook bemühte sich zuletzt in einer Telefonkonferenz jedenfalls, die Sache herunterzuspielen. Es habe da viel Spekulation gegeben, "wenn ich Sie wäre, würde ich darauf nicht viel geben".

Allerdings nimmt Apple da eine Sonderrolle ein: Schon bisher spielten die Produktkosten beim Preis für ein iPhone kaum eine Rolle. "Die Margen sind hoch, weil es fast schon ein Monopol ist", sagt Ökonomin Langenmayr. Stiegen nun die Kosten, würde Apple sie wohl erst einmal selbst auffangen und dafür etwas vom Profit opfern. Aber wenn Produkte im harten Wettbewerb stünden, seien die Margen geringer. Damit steige die Wahrscheinlichkeit, dass höhere Kosten an die Endkunden weitergegeben werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4554527
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.08.2019/vd
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.