Süddeutsche Zeitung

Schlechte Online-Bewertungen:Da hilft der beste Kaiserschmarrn nichts

Lesezeit: 3 Min.

Von Max Hoppenstedt

Hüttenwirt Alexander Egger hatte einen stressigen Tag hinter sich, als er von der schlechten Online-Bewertung erfuhr. Ein Verteilerkasten hatte Feuer gefangen, so erzählt er es jetzt, anschließend fiel für einen Tag der Strom aus. Die Flammen waren sofort gelöscht, doch die schlechte Bewertung blieb erst mal im Netz. Dabei hatten sich Egger und seine Kollegen nach eigenen Angaben bemüht, den Gästen gegenüber freundlich und umsichtig auf den Zwischenfall zu reagieren. Sie hatten organisiert, dass eine Familie, die ohne Strom nicht in den Bergen bleiben wollte, schneller ins Tal gebracht wurde. Dank der Unterstützung kam sie rechtzeitig zum weit entfernten Bahnhof, obwohl die abgelegene Hinterbärenbadhütte im Kaisertal nur über bucklige Geröllwege erreicht werden kann. "Trotzdem muss sich da ein Gast am Abend auf dem Sofa gedacht haben: ,Jetzt schreibe ich was Negatives über die'." So erinnert sich Egger an eine seiner Erfahrungen mit Kundenbewertungen auf Portalen wie Yelp, Tripadvisor oder Google.

Solche Online-Bewertungen gehören längst zum Alltag von Gastwirten, aber auch von Geschäftsinhabern jenseits der Gastronomie. Wer sich in Friseursalons, Apotheken, Schwimmbädern oder Sportfachgeschäften umhört, bekommt immer die gleiche Antwort zu hören: Natürlich kenne man die Bewertungen für den eigenen Laden und lese diese regelmäßig. Die Bewertungsportale haben die Außendarstellung von Geschäften geändert. Besonders eine Plattform ist dabei wichtig: Wenn jemand sich online informiert, dann passiert das in der Regel erst einmal bei der Suchmaschine Google oder dem Kartendienst Google Maps. Das Bewertungssystem dort steht in der Kritik, seit der Wirt des Herzoglichen Bräuhaus Tegernsee wegen der auf Google angegebenen Wartezeit geklagt hatte - und der Konzern dem Unterlassungsanspruch des Wirts am Mittwoch stattgab, bevor es zur Verhandlung kam.

Wie wichtig Online-Bewertungen für sein Geschäft sein können, merkt auch Hüttenwirt Egger schon lange: "Wenn im Netz steht 'fantastischer Kaiserschmarrn', dann hatten wir schon vor Jahren Leute, die extra deswegen zu uns hochgekommen sind und uns dann darauf angesprochen haben." Nachdem seine Hütte auf der Website des Alpenvereins gute Bewertungen gesammelt hatte, bemerkte Egger einen Anstieg an Besuchern.

Die Zufriedenen bewerten seltener

Doch die Bewertungen auf Seiten wie Google oder Yelp spiegeln natürlich nicht die Wirklichkeit auf einer Hütte wider. Wer sich durchklickt, merkt schnell, dass es entweder sehr enthusiastische oder sehr negative Kommentare gibt. Wer einfach nur zufrieden war, nimmt sich offenbar selten die Zeit, um nach seinem Besuch eine Bewertung zu hinterlassen.

Dass Phänomen zeigte vor zwei Jahren ein Selbstversuch eines Autors des Online-Magazins Vice eindrücklich: Mit Geduld und einigen Tricks mogelte der Autor seine Gartenlaube im Süden Londons zum am besten bewerteten Restaurant auf Tripadvisor hoch - nur um den Gästen dann billige Fertiggerichte zu servieren. Tatsächlich stehen immer wieder Vorwürfe im Raum, dass auf Seiten wie Tripadvisor oder Yelp Bewertungen gefälscht werden oder durch Kampagnen von der Konkurrenz manipuliert werden. Im Internet gibt es zudem Seiten, die Bewertungen oder Kommentare zum Kauf anbieten. Das Phänomen, dass der Mensch besonders gern Bewertungen postet, wenn er verärgert ist, manifestiert sich bereits im Wortschatz: Wer im englischen jemanden "yelped", der droht mit einer schlechten Bewertung.

"Da hast du ja wieder einen Elch geschossen"

Die Betreiber von Geschäften stürzt das in ein Dilemma: Einerseits wissen sie, wie wichtig die Bewertungen für ihre Außendarstellung sind - egal wie unzuverlässig sie auch sein mögen. "Ich selber schaue da gar nicht rein, ich bin zu beschäftigt damit, den Hüttenbetrieb aufrecht zu halten", sagt Alexander Egger. Er betreibt seit vielen Jahren Berghütten und hat auf den verschiedenen Online-Seiten immerhin fast ausschließlich positive Bewertungen. Wenn ein kritischer Kommentar verfasst wird, erfährt Egger das meist trotzdem schnell: "Mir erzählen dann die Leute hier im Tal: Da steht wieder was drin, da hast du ja wieder einen Elch geschossen". Egger erklärt den Bekannten dann, was aus seiner Sicht vorgefallen ist, doch online antwortet er nicht auf die Bewertungen. "Die Leuten haben viel mehr Zeit als ich, da etwas zu schreiben."

Damit ist er nicht allein. Die von Google angebotene Möglichkeit, auf Kommentare zu antworten, nutzen in der Regel nur größere Geschäfte oder Ladenketten mit mehreren Mitarbeitern. Unter kleinen Ladenbetreibern hat tatsächlich kaum jemand Zeit, auf kritische Bewertungen zu antworten.

Für die Ladenbetreiber kommt noch ein Problem hinzu. Negative Online-Bewertungen sind oft einem Problem geschuldet, gegen das sie nur schwer etwas unternehmen können: eine aus der Ferne aufgebaute unrealistische Erwartungshaltung. So rechnen manche Übernachtungsgäste mit einer Unterkunft im Hotelstandard, einfach nur, weil sie ihre Alpenhütte mit wenigen Klicks online buchen können. Der Hüttenbetreiber Egger sagt: "Viele glauben, wir sind ein luxuriöser Berggasthof. Aber dass wir unseren Ofen mit Holz heizen, das sieht ja auf den Bewertungsseiten erst mal keiner."

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SZ vom 30.08.2019
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