Yahoo:Kauft uns!

Lesezeit: 2 Min.

Der Internet-Pionier Yahoo schrumpft und bietet sich zur Übernahme an. Kein Wunder, dass die Stimmung in der Belegschaft auf einem Tiefpunkt ist: Viele wichtige Führungskräfte haben das Unternehmen schon verlassen.

Von Helmut Martin-Jung, München

Ehrgeizig ist sie ja, Marissa Mayer. Erschien bereits Tage nach der Geburt ihres ersten Kindes wieder im Büro (mit Baby), ließ allen Mitarbeitern ein Smartphone schenken und das Kantinenessen kostenlos ausgeben. Seit sie 2012 von Google herüberwechselte, hat sie versucht, mit allerlei milliardenteuren Zukäufen einen Dinosaurier des Internets wieder attraktiv zu machen: Yahoo. Doch so sehr sie sich auch mühte, das Konzept ging nicht auf. Die Angebote des Konzerns werden zwar noch von vielen Menschen genutzt, nur Geld verdient Yahoo damit viel zu wenig.

4,43 Milliarden Dollar Verlust hat das Unternehmen, das zu den Pionieren und den glorreichen Aufsteigern des Internetgeschäfts zählte, im vergangenen Quartal angehäuft. Und nun muss Mayer die Notbremse ziehen. 15 Prozent der Belegschaft, etwa 1700 Menschen, sollen gehen. Ende des Jahres werden dann bei Yahoo nur noch etwa 9000 Menschen arbeiten - 42 Prozent weniger als beim Amtsantritt von Mayer. Verlustbringende Aktivitäten werden eingestellt und unrentable Niederlassungen geschlossen. Das Geschäft soll stattdessen fokussiert werden und auf drei Säulen ruhen: Auf Internet-Suche, Mail und der Blog-Plattform Tumblr. Inhaltlich will sich Yahoo auf die Bereiche Nachrichten, Sport, Finanzen und Lifestyle konzentrieren. Außerdem wird das Unternehmen Patente und Immobilien verkaufen.

Wem da ein leiser Verdacht aufkommt, der braucht nicht viel zu vermuten. Mayer sagte zwar, sie wolle das Unternehmen wieder profitabel machen, war aber auch ehrlich genug zuzugeben: Wenn ein Interessent anklopfen würde, werde man das Angebot ernsthaft prüfen. Mit anderen Worten ruft Yahoo nun deutlich: Kauft uns!

Kein Wunder, dass die Stimmung in der Belegschaft auf einem Tiefpunkt ist. Viele wichtige Führungskräfte haben das Unternehmen schon verlassen, darunter auch handverlesene Mayer-Vertraute wie Jackie Reses, die für neue Geschäftsfelder verantwortlich war, oder Lisa Licht, die sich um Marketing-Kooperationen gekümmert hatte. Und als Mayer Ende 2014 einmal ein Coup gelang und sie Amazon einen Top-Mann abluchsen konnte - Jon McCormack - hatte der nach wenigen Wochen schon wieder genug von seinem neuen Job.

Er hätte sich um das Werbegeschäft von Yahoo auf Mobilgeräten kümmern sollen - bis heute ist es eine offene Flanke im Konzern. Bei den Millennials, also den um das Jahr 2000 herum Geborenen, ist Yahoo einfach nicht mehr cool genug. Gerade diese Zielgruppe aber ist es, die Internetangebote kaum mehr vom PC aus nutzt, sondern allenfalls per Tablet, meistens aber mit einem Smartphone. Der Großteil der Yahoo-Nutzerschaft - 77 Prozent - ist dagegen aus diesem Alter heraus und surft am PC. "Das ist kein glamouröses Geschäft", urteilt Daniel Knapp von der Beratungsfirma IHS, "aber eine solide Grundlage". Yahoo müsse sie monetarisieren, zumal da eine funktionierende Mobilstrategie fehle.

Trotzdem glaubt Knapp, dass es für Yahoo noch nicht zu spät ist. Potenzial sieht er bei dem Internet-Urgestein auch in der Anzeigen-Technologie. Auf diesem Gebiet habe Yahoo immer noch Weltklasse-Niveau und könnte als Drittanbieter eine Alternative zu Facebook oder Google sein. Ob aber Marissa Mayer diesen Übergang managen wird, muss sich noch zeigen. Ihre ursprüngliche Strategie, durch Zukäufe zu wachsen, ist jedenfalls krachend gescheitert.

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: