Xi Jinping bei Barack Obama:Vereint in Abhängigkeit

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US-Präsident Barack Obama (l.) und Chinas Präsident Xi Jinping in Sunnylands, Kalifornien.

(Foto: AFP)

Für erbitterte Feindschaft zwischen den USA und China gäbe es gute Gründe. Doch beide Länder verdienen andeinander und hängen wirtschaftlich voneinander ab. Da heißt es, sich zusammenzuraufen.

Von Marcel Grzanna, Shanghai

Ob sich Amerikaner und Chinesen mögen oder nicht, spielt keine Rolle. Ihr Wohlergehen haben die beiden größten Volkswirtschaften der Welt derart eng miteinander verwoben, dass es keinen Weg zurück gibt aus den komplexen wirtschaftlichen Beziehungen. Zumindest keinen ohne massive Kollateralschäden.

Seit dem Aufbau diplomatischer Beziehungen ab 1979 hat sich das bilaterale Handelsvolumen um das 180-Fache erhöht. Geschäfte im Wert von 446 Milliarden Dollar wurden 2012 abgeschlossen. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Exporte aus den USA nach China nahezu verfünffacht. In umgekehrter Richtung legten die Ausfuhren um rund 400 Prozent zu. Die Zahlen bedeuten, dass China und die USA gut miteinander auskommen müssen, wenn ihnen die eigene Konjunktur am Herzen liegt.

Beim Treffen zwischen Staats- und Parteichef Xi Jinping und Präsident Barack Obama in Sunnylands in Kalifornien lautet deshalb die Devise auf beiden Seiten: Immer schön lächeln. Weil mancher behauptet, China sei das Land des Lächelns, müsste Xi Jinping die Aufgabe mit Bravour meistern. Auch weil Chinas Elite längst auf Augenhöhe mit den Amerikanern agiert. Oder etwa nicht?

Seit Beginn des Aufstiegs der Volksrepublik in den Kreis der ökonomischen Schwergewichte rechnen Ökonomen, wann China die USA überholt als Wirtschaftsmacht Nummer eins. Nimmt man das Bruttoinlandsprodukt als Maßstab, lauten die optimistischen Schätzungen: 2016 oder 2020. Das hängt davon ab, ob man Kaufkraftparität oder den Wechselkurs betrachtet. Mit dieser Entwicklung vor Augen sollte Xi strotzen vor Selbstbewusstsein.

Zumal China der mit Abstand größte Gläubiger der USA ist. Die Devisenreserven der Volksrepublik haben einen Wert von 3,3 Billionen US-Dollar. Nicht die gesamte Summe ist in US-Dollar nominiert, aber schätzungsweise 75 Prozent davon in bar oder Staatsanleihen. An dieser Stelle liegt jedoch die Krux im Verhältnis. "Mit einer solchen Masse an Devisenreserven ist die gesamte chinesische Wirtschaft quasi dollarisiert.

Das bedeutet, dass eigentlich die USA die chinesische Wirtschaft steuern", sagt Professor Pang Zhongying, der sich an der Volksuniversität in Peking mit internationalen Studien befasst. Das ist drastisch formuliert, aber tatsächlich hängt der Wert chinesischer Devisenreserven von amerikanischer Geldpolitik ab. Wenn die US-Notenbank Fed den Markt mit billigem Kapital schwemmt, geht es der Volksrepublik an die Pfründe, weil der Wert des Dollars und damit ihrer Reserven sinkt.

Auf diese Art und Weise sei es den Amerikanern gelungen, die Chinesen zu einer Aufwertung ihrer Landeswährung Renminbi zu zwingen, sagt Ökonom Pang. Der Yuan, wie chinesisches Geld auch genannt wird, legte in den vergangenen Jahren auf Druck der Amerikaner um mehr als 30 Prozent zu. Gut für die USA, deren Exportartikel in China dadurch wettbewerbsfähiger geworden sind. Schlecht für China, weil Waren aus der Volksrepublik weltweit teurer geworden sind.

Probleme ja, aber bitte lächeln

Immerhin haben sich Chinas Währungsreserven als Konsequenz der schwächelnden Exporte nicht noch weiter vermehrt. Die Jahre, in denen sich 400 Milliarden Dollar Überschuss sammelten, sind für alle Zeiten vorbei. Peking braucht sich also nicht mehr den Kopf darüber zu zerbrechen, wohin mit den neuen sprudelnden Dollarreserven. Stattdessen bleibt nur noch das Problem der bereits vorhandenen 3,3 Billionen, die auf Geheiß amerikanischer Politik jederzeit dramatisch an Wert verlieren könnten.

Teile davon fließen als Investitionen zurück in die USA. Nach Berechnungen des Finanzdienstleisters Dealogic stiegen chinesische Käufer im vergangenen Jahr mit 11,6 Milliarden Dollar in 49 US-Unternehmen ein. Grundsätzlich ein gutes Geschäft für beide Seiten: Investitionen kurbeln die US-Konjunktur an. Und die Chinesen verschaffen sich mit der Akquise Zugang zu Technologie und Vertriebswegen. Doch keinesfalls ist das garantiert.

Bei der geplanten Übernahme des US-Schlachtkonzerns Smithfield durch den chinesischen Schweinefleisch-Produzenten Shuanghui ist etwa hinderlich, dass die Käufer gar keine Chinesen sind. Shuanghui International ist eine Briefkastenfirma auf den Kaimaninseln. Deren Hauptanteilseigner sind unter anderem Beteiligungsgesellschaften aus den USA und Europa. Die Manager von Shuanghui China sind lediglich Minderheitseigener mit begrenztem Einfluss.

Misstrauen und vertrauensvolle Zusammenarbeit

Manchmal ist es aber auch der Staat wie im Fall Huawei, der Investitionen einen Riegel vorschiebt. Das Beispiel des Netzwerkausrüsters zeigt den Zwiespalt, in dem sich das Verhältnis zwischen Amerikanern und Chinesen bewegt. Beide Seiten plädieren für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, aber misstrauen sich zutiefst. Huawei könnte für das chinesische Militär spionieren, begründen die Amerikaner ihre Haltung.

Auch beim Thema Solarenergie sind die USA rigoros. Seit 2011 erheben sie Zölle auf chinesische Module. Die Debatte darüber war in China zu keinem Zeitpunkt so intensiv wie über die Strafzölle der EU-Kommission auf chinesische Solarkomponenten. Der Grund ist einfach: Der Respekt der Chinesen vor den Amerikanern ist deutlich höher als vor den zerstrittenen Europäern, die sich praktisch nie einig sind, wie man mit China verfahren will.

Doch Respekt haben sich die Chinesen auch in den USA erarbeitet. Das liest man zwischen den Zeilen des Special 301 Report heraus, der die Wirksamkeit geistiger Eigentumsrechte in anderen Märkten bewertet. Der jüngst veröffentlichte Bericht ergießt sich im Bezug auf China in Rhetorik über "Herausforderungen", "Potenzial" und "Gelegenheiten", verzichtet aber darauf, die massiven Schutzrecht-Verletzungen konkret anzuprangern.

Das gleiche Prinzip wird in Sunnylands greifen. Probleme ja, aber bitte lächeln.

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