Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft kompakt:Darf's noch ein bisschen weniger sein?

Kaum verkündet Arbeitsministerin von der Leyen das Erreichen der Drei-Millionen-Grenze, rechnet die Bundesagentur für Arbeit mit einem weiteren Absinken der Arbeitslosigkeit. Das Wichtigste in Kürze.

Der Konjunkturmotor treibt den Arbeitsmarkt an und lässt für das kommende Jahr Tiefstände der Arbeitslosigkeit erwarten. Wenn die Prognosen für 2011 zuträfen, könne "auch mal eine Zahl rauskommen von 2,7 (Millionen Arbeitslosen)", sagte der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise: "Rein rechnerisch im Oktober 2011."

In diesem Oktober lag die Arbeitslosenzahl erstmals seit fast zwei Jahren wieder unter drei Millionen. Davon profitiert auch der Bund, der weniger Geld überweisen muss zur Deckung des Defizits der Behörde. Weise nannte einen Bedarf von 6,9 Milliarden Euro zum Jahresende: "Es kann auch einen Tick besser werden." Weniger als sechs Milliarden Euro seien es nicht.

"Der Arbeitsmarkt profitiert von der guten Konjunktur", sagte Weise, der die am Vortag von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bereits bekanntgegebenen Arbeitslosenzahlen im Detail erläuterte. Die Arbeitslosigkeit sinke, während die Erwerbstätigkeit und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung weiter kräftig zulegten. Die Kurzarbeit verliere immer mehr an Bedeutung. Nach den neuen Zahlen hätten im August noch etwa 173.000 Arbeitnehmer aus konjunkturellen Gründen kurzgearbeitet - rund 849.000 weniger als vor einem Jahr.

Weise dämpfte Erwartungen an eine rasche Annäherung an die Vollbeschäftigung. Nach Berechnungen des BA-Forschungsinstituts könne bis 2020 ein ausgeglichener Arbeitsmarkt entstehen. Die Wurzeln des Arbeitsmarkterfolges siedelte Weise in den Reformen der rot-grünen Regierungszeit bis 2005 an. "Das waren Entwicklungen, die den heutigen Erfolg treibe", sagte Weise. Angesprochen auf Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, der Deutschland "auf der Schnellstraße zur Vollbeschäftigung" sieht, sagte Weise: "Wenn sich Herr Brüderle auf der Schnellstraße befindet, kann ich nur sagen: Vorsichtig fahren!"

Panne bei Nissan: Der japanische Autobauer ruft mehr als zwei Millionen Autos der Marken Nissan und Infiniti in die Werkstätten zurück. Weltweit gehe es um 2,14 Millionen Autos, teilte Nissan Deutschland mit.

In Europa müssten 368.000 Autos zurückgerufen werden, in Deutschland mehr als 40.000. Betroffen sind aber vor allem Japan und der nordamerikanische Markt. Bei den Autos besteht den Angaben zufolge die Gefahr, dass wegen eines Relais-Defekts der Motor während der Fahrt ausgeht. Unfälle wegen des Problems habe es bislang nicht gegeben, sagte Sprecherin Ulrike vom Hau.

Betroffen sind in Deutschland der Kleinwagen Micra und der Geländewagen Pathfinder der Baujahre 2004 bis 2006 sowie der Pick-Up Navarra (2005 bis 2006). Die Besitzer der Autos würden angeschrieben.

Schon im März hatte Nissan wegen Problemen mit Bremspedalen und der Tankanzeige mehr als eine halbe Million Autos in die Werkstätten zurückrufen müssen. Betroffen waren vor allem der US-Markt, aber auch andere Regionen wie der Nahe Osten und Teile Asiens.

In der Finanzkrise haben die Arbeitnehmer in Deutschland den Gürtel deutlich enger geschnallt, doch nachdem es nun aufwärts geht, wollen immer mehr Beschäftigte am Aufschwung teilhaben. Am Standort Stuttgart wird diesem Anspruch mittlerweile am weitesten entgegengekommen. Denn nachdem dort bereits der Automobilzulieferer Bosch eine tarifliche Gehaltserhöhung vorgezogen hat, vollzieht diesen Schritt nun auch der Sportwagenhersteller Porsche aus dem Stadtteil Zuffenhausen.

Die Tariferhöhung 2011 für die Beschäftigten der deutschen Standorte werde auf Februar 2011 vorgezogen, kündigte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des Unternehmens, Uwe Hück, an. "Darüber gibt es doch bei der glänzenden Ertragslage von Porsche überhaupt keine Diskussion", sagte Hück nach Angaben der IG Metall.

Derzeit laufen der Gewerkschaft zufolge bei Porsche außerdem Gespräche über eine weitere Sonderzahlung, die die inländischen Beschäftigten für das laufende Rumpfgeschäftsjahr zusätzlich erhalten sollen. Diese hatten zuletzt für das abgelaufene Geschäftsjahr eine Sonderzahlung von 2100 Euro erhalten.

Im Tarifabschluss der Metallindustrie vom Februar 2010 ist eine Option vereinbart, die anstehende Tariferhöhung um 2,7 Prozent um zwei Monate vorzuziehen. Wie die IG Metall weiter mitteilte, erwartet auch beim Stuttgarter Automobilhersteller Daimler der Betriebsrat angesichts der Ertragslage des Unternehmens eine vorgezogene Zahlung der Tariferhöhung. Das habe der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Erich Klemm am vergangenen Freitag deutlich gemacht. Auch Daimler ist in Stuttgart angesiedelt - die Konzernzentrale sitzt im Stadtteil Untertürkheim.

Daimler-Chef Dieter Zetsche will immer höher hinaus: Nach kräftigen Zuwächsen bei Gewinn, Umsatz und Absatz im dritten Quartal schraubte der Konzernlenker die Erwartungen für 2010 bereits zum dritten Mal nach oben. "Natürlich ist die Weltwirtschaft noch nicht wieder so stabil wie vor der Rezession, aber wir sind zuversichtlich, dass wir in unseren Märkten weiterhin erfolgreich sein werden", sagte Zetsche.

Von Juli bis September fuhr der Premiumhersteller einen Gewinn von 1,6 Milliarden Euro ein. Vor einem Jahr hatte sich der Dax-Konzern noch mit einem schmalen Nachsteuerergebnis von 56 Millionen Euro zufriedengeben müssen.

Das operative Ergebnis vervielfachte sich auf 2,4 Milliarden Euro (2009: 470 Mio Euro). Der Umsatz legte um 30 Prozent auf 25,1 Milliarden Euro zu. Der weltweite Absatz von Pkw und Lastwagen erhöhte sich um 23 Prozent auf 475.100 Fahrzeuge. Im Gesamtjahr wollen die Stuttgarter nun einen operativen Gewinn von sieben Milliarden Euro erzielen, kündigte Zetsche an. Zuletzt hatte er ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern von sechs Milliarden Euro für 2010 in Aussicht gestellt, zu Jahresbeginn war er noch von 2,3 Milliarden Euro ausgegangen.

Deutlich zulegen wollen die Stuttgarter auch bei Umsatz und Absatz. In welchem Umfang die Erlöse (2009: 78,9 Mrd Euro) und der Absatz (1,6 Mio Fahrzeuge) steigen sollen, ließ Zetsche aber weiter offen. Bei der Beschäftigtenzahl hält der Vorstandschef einen leichten Anstieg für möglich. Derzeit arbeiten bei Daimler weltweit knapp 260.000 Menschen.

Deutlicher Gewinn- und Umsatzschub: Die Lufthansa hat im dritten Quartal 2010 sowohl den Umsatz als auch das Ergebnis über und unter dem Strich deutlich gegenüber dem Vorjahr gesteigert. Der Umsatz habe sich um 27,5 Prozent auf 7,6 Milliarden Euro erhöht, teilte Deutschlands größte Fluggesellschaft mit.

Das Nettoergebnis sei um mehr als 200 Prozent auf 628 Millionen Euro gestiegen, das operative Ergebnis um 259 Prozent auf 783 Millionen Euro. Die Lufthansa begründet diese Verbesserung mit einer zunehmend positiven Nachfrageentwicklung im Passagier- und Frachtverkehr, dem Erfolg der Kostensenkungsmaßnahmen in allen Bereichen des Konzerns und den realisierten Synergien im Airlineverbund.

Aufgrund des guten Drittquartals glich die Lufthansa sogar die operativen Verluste des ersten Halbjahres aus und weist in den ersten neun Monaten nun ein Plus von 170,8 Prozent auf 612 Millionen Euro aus.

Kurz vor dem Winterflugplan rechnet der Vorstand jetzt damit, dass das operative Ergebnis 2010 über 800 Millionen Euro liegt. Bisher hatte er lediglich einen höheren Umsatz und ein steigendes operatives Ergebnis im Rahmen der Markterwartung in Aussicht gestellt. "Sollten die Treibstoffpreise nicht übermäßig steigen oder die Flugsteuer in Deutschland die Nachfrage stark dämpfen, werde sich das Ergebnis "weiter positiv entwickeln". Experten hatten ein operatives Ergebnis zwischen 400 Millionen und 500 Millionen Euro erwartet. Die Gesellschaft kündigte die Ausschüttung einer Dividende für 2011 an. Im vergangenen Geschäftsjahr hatte das Unternehmen im laufenden Betrieb noch 130 Millionen Euro verdient.

Zufrieden und zuversichtlich: Der Pharma- und Chemiekonzern Bayer hat im dritten Quartal mehr umgesetzt und verdient. Wie das Leverkusener Dax-Unternehmen mitteilte, stiegen die Erlöse binnen Jahresfrist um 16 Prozent auf rund 8,6 Milliarden Euro. Das Konzernergebnis legte um mehr als zwölf Prozent auf 280 Millionen Euro zu.

Zugleich sank jedoch das operative Ergebnis (Ebit) um 14 Prozent auf 556 Millionen Euro. Belastend wirkten sich dabei unter anderem Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten in den USA aus. Insgesamt bezifferte Bayer die Sonderaufwendungen im dritten Quartal auf 436 Millionen Euro, nach 191 Millionen Euro im Vorjahr.

Dabei entfalle der Großteil auf die Agrochemiesparte CropScience für ein angestrebtes Vergleichsprogramm im Zusammenhang mit Verfahren wegen gentechnisch veränderter Reispflanzen.

"Wir sind zufrieden, dass wir im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahr zulegen konnten, und wir bleiben für das Jahr 2010 zuversichtlich", sagte Vorstandsvorsitzender Marijn Dekkers. Zu der positiven Geschäftsentwicklung habe insbesondere die Kunststoffsparte MaterialScience beigetragen. Auch CropScience habe das Geschäft ausgeweitet. Dagegen sei der wichtige Gesundheitsbereich HealthCare bei stabilem Umsatz leicht hinter dem Vorjahresergebnis zurückgeblieben.

Mit der Vorlage der Zahlen bestätigte Bayer die Prognose für das laufende Jahr. Demnach rechnet der Konzern für 2010 mit einem operativen Ergebnis (Ebitda) vor Sonderposten von mehr als sieben Milliarden Euro. Nach drei Quartalen hat Bayer davon bereits 5,5 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Der Chemiekonzern BASF hat sein Nettoergebnis im dritten Quartal kräftig gesteigert. Nach Steuern und Anteilen anderer Gesellschafter habe sich der Überschuss dank des sehr guten Geschäftsverlaufs verglichen mit dem Krisenjahr 2009 mehr als verfünffacht, teilte der Dax-Konzern mit Sitz in Ludwigshafen mit.

Von Juli bis September verdiente BASF unter dem Strich 1,2 Milliarden Euro. Die Zahlen für den Umsatz und das operative Ergebnis hatte BASF bereits in der vergangenen Woche genannt. Der Umsatz stieg um 23 Prozent auf 15,8 Milliarden Euro, das Ebit vor Sondereinflüssen legte um 77 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro zu. Auf Grund der guten Geschäftsentwicklung kündigte der Konzern an, die Dividende für dieses Jahr wieder anzuheben. Im Krisenjahr 2009 war die Dividende wegen der nicht verdienten Kapitalkosten von 1,95 Euro im Jahr davor auf 1,70 Euro gekürzt worden.

Der Vorstandsvorsitzende Jürgen Hambrecht erklärte, BASF habe sein Portfolio durch die rasche Integration des Schweizer Wettbewerbers Ciba noch konjunkturrobuster gemacht. Die Prognose für 2010 erhöhte der Konzern. Angestrebt werde ein Umsatz von etwa 63 Milliarden Euro sowie ein Ergebnis der Betriebstätigkeit vor Sondereinflüssen von mehr als acht Milliarden Euro, sagte Hambrecht. 2009 erzielte der Konzern einen Umsatz von mehr als 50 Milliarden Euro und beschäftigte am Jahresende weltweit rund 105.000 Menschen.

Für MAN zahlt sich die Globalisierung aus: Der Nutzfahrzeug- und Anlagenbauer hat dank des anhaltenden Nachfragebooms in Lateinamerika und der Erholung in Europa nach einem starken dritten Quartal die Prognose für 2010 angehoben.

Für das Schlussquartal sei eine Fortsetzung der positiven Entwicklung zu erwarten, so dass auf Gesamtjahressicht der Auftragseingang um mindestens 45 Prozent und der Umsatz um mehr als 20 Prozent steigen sowie die Rendite auf dem Niveau der ersten neun Monate von 6,9 Prozent liegen werde, teilte der Dax-Konzern mit. Zuvor hatten die Münchener offiziell in diesem Jahr mit einem Einnahmenplus von mehr als zehn Prozent und einer Umsatzrendite auf dem Niveau des ersten Halbjahres von rund sechs Prozent gerechnet.

Im abgelaufenen dritten Quartal schnitt MAN besser ab als erwartet. Der Auftragseingang stieg um 40 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro, der Umsatz legte von 3,1 Milliarden auf 3,8 Milliarden Euro zu. Operativ verdiente der Dax-Konzern zwischen Juli und September 324 Millionen Euro, weit mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum. Unter dem Strich blieben 179 Millionen Euro nach vier Millionen im Vorjahresquartal. Die Zahlen lagen über den Erwartungen von Analysten.

Im vergangenen Jahr hatte MAN schwer unter der Wirtschaftskrise gelitten. Die Erlöse waren um rund ein Fünftel auf gut zwölf Milliarden Euro zusammengeschmolzen. Das operative Ergebnis sank auf etwa eine halbe Milliarde Euro. Netto war der Konzern aufgrund von Abschreibungen und Kosten im Zusammenhang mit der Schmiergeldaffäre jedoch in die roten Zahlen gerutscht.

Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt mobilisiert nun auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle. Der FDP-Politiker hält es nun dringend für geboten, zügig ein Konzept für die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte zu erstellen. Das Konzept solle bis spätestens Juli 2011 stehen, sagte Brüderle der Bild-Zeitung.

"Wir brauchen so schnell wie möglich, aber spätestens bis zur Sommerpause ein tragfähiges Konzept für die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften", sagte der Wirtschaftsminister weiter. Nur dadurch lasse sich der zunehmende Mangel an gut ausgebildeten Beschäftigten in der deutschen Wirtschaft eindämmen.

Kein Beistand mehr nötig: Venezuela hat seine Benzinlieferungen an den Iran eingestellt. Die islamische Republik sei nicht mehr länger darauf angewiesen, erklärte Venezuelas Ölminister Rafael Ramirez in Caracas.

Der Iran habe seine Probleme bei dem Thema gelöst. Unter anderem stelle das Land jetzt selbst Komponenten her, die es zur Benzinherstellung benötige.

Der Iran ist zwar der weltweit fünftgrößte Öl-Exporteur, muss angesichts ungenügender Kapazitäten in seinen Raffinerien aber 40 Prozent seines Benzinbedarfs einführen. Die USA, die EU und andere Länder haben gegen den Iran umfangreiche Sanktionen verhängt. Sie verdächtigen das Land, heimlich am Bau von Atomwaffen zu arbeiten. Der Iran bestreitet das.

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